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Die Kraft der Diversität -
Die Quelle der Entwicklung der menschlichen ``Welt''kultur -
Die Lebendigkeit des Paranormalen:

Prolog zum Globalismus - Die Neolithische Revolution :
Claude Levi-Strauss, Rasse und Geschichte


Es gibt viel mehr kulturen als rassen, denn die einen zählen nach tausenden, die anderen nach einern: zwei kulturen, die von menschen derselben rasse hervorgebracht wurden, können sich ebenso oder mehr voneinander unterscheiden als zwei kulturen von rassisch weit voneinander entfernten gruppierungen.
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Wir sehen also, dass die verschiedenheit der kulturen kein statischer begriff ist. .... Die menschlichen gesellschaften sind niemals voneinander isoliert.
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Viele sitten sind nicht aus einer inneren notwendigkeit oder einem bestimmten günstigen ereignis entstanden, sondern allein aus dem willen, nicht hinter einer benachbarten gruppe zurückzubleiben, die einen bestimmten bereich, für den man selbst noch keine regeln geschaffen, einem bestimmten gebrauch unterworfen hatte. Die verschiedenheit der kulturen darf uns also nicht zu einer aufspaltenden oder gespaltenen betrachtungsweise veranlassen. Sie ist weniger eine funktion der isolierung als vielmehr der gegenseitigen beziehung der einzelnen gruppen.
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Alles, was nicht der norm entspricht, nach der man selber lebt, wird aus der kultur in den bereich der natur verwiesen.
.... Bekanntlich ist der begriff ``menschheit'', der ohne unterschied der rasse oder zivilisation alle lebensformen der gattung mensch einschliesst, ziemlich spät aufgekommen und sehr wenig verbreitet .... Die menschheit endet an den grenzen des stammes, der sprachgruppe, manchmal sogar des dorfes, so dass eine große zahl sogenannter primitiver völker sich selbst einen namen gibt, der ``mensch'' bedeutet (oder manchmal - mit etwas mehr zurückhaltung - ``die guten'', ``die hervorragenden'', ``die vollendeten'') .... manchmal spricht man den fremden sogar noch jene letzte stufe an realität ab, indem man sie als ``fantome'' oder ``erscheinungen'' ansieht. ....
Wer diejenigen aus der menschheit ausschliesst, die ihm als die ``wildesten'' oder ``barbarischsten'' ihrer vertreter erscheinen, der nimmt nur selbst eines ihrer typischsten merkmale an. Denn ein barbar ist ja vor allem derjenige, der an die barbarei glaubt.
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In wirklichkeit gibt es gar keine kindlichen völker; alle sind erwachsen, auch diejenigen, die keine chronik ihrer kindheit und jugend verfasst haben.
Man könnte zwar sagen, dass die gesellschaften ihre zeit verschieden genutzt haben, dass es für manche sogar verlorene zeit gewesen ist, dass die einen mit siebenmeilenstiefeln vorangeeilt sind, während die anderen gebummelt haben. Danach müsste man zwei arten von geschichte unterscheiden: eine progressive, sich anreichernde geschichte, die ihre funde und erfindungen akkumuliert und damit große zivilisationen errichtet, und eine vielleicht ebenso aktive, ebenso viele talente weckende geschichte, der es jedoch an synthetischer begabung fehlt, die gerade das privileg der ersteren ist. Anstatt dass jede neuerung an die früheren neuerungen anschliesst und in der gleichen richtung wirkt, geht sie in einer art schlängelpfad unter, dem es nie gelingt, sich auf längere dauer von der ursprünglichen richtung zu entfernen.
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Dass die kumulative geschichte nicht das privileg einer bestimmten zivilisation oder epoche ist, zeigt das beispiel Amerikas am deutlichsten. Dieser riesige kontinent erlebt die ankunft des menschen in kleinen nomadengruppen, die im zuge der letzten vergletscherungen die Beringstrasse passieren, zu einem zeitpunkt, der nicht viel vor dem 20. jahrtausend liegen dürfte. In 20000 oder 25000 jahren gelingt diesen menschen eine der erstaunlichsten demonstrationen kumulativer geschichte, die es auf der welt gibt: sie erforschen vollständig die ressourcen einer neuen natürlichen umwelt, machen sich durch züchtung (neben einigen tierarten) die verschiedensten pflanzenarten als nahrungsmittel, heilmittel und gifte nutzbar und - das ist einmalig - machen giftige substanzen wie den maniok zur grundnahrung und andere zu stimulans- oder betäubungsmitteln, sammeln für bestimmte tierarten bestimmte gifte oder betäubungsmittel, von denen jedes eine andere wirkung hat, und erreichen schliesslich in bestimmten kunstfertigkeiten wie der webkunst, der keramik und der bearbeitung von edelmetallen den höchsten perfektionsgrad. Um diese immense leistung ermessen zu können, braucht man sich nur den beitrag Amerikas zu den zivilisationen der alten welt zu vergegenwärtigen. An erster stelle stehen die kartoffel, der kautschuk, der tabak und die koka .... Schliesslich kannten und benutzten die Mayas die null, die grundlage der arithmetik und, indirekt, der modernen mathematik, mindestens ein halbes jahrtausend vor ihrer entdeckung durch indische gelehrte, von denen sie durch die Araber nach Europa kam.
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Der westen, obzwar meister der maschinen, hat doch nur sehr elementare kenntnisse von der verwendung und den kraftquellen jener am höchsten entwickelten maschine, die der menschliche körper darstellt ....
In allem, was die familienorganisation und die harmonisierung der beziehungen zwischen familiengruppe und sozialer gruppe angeht, nehmen die ökonomisch rückständigen Australiden einen gegenüber der übrigen menschheit so fortgeschrittenen platz ein, dass man zum verständnis der bewusst und reflektiert von ihnen entwickelten regelsysteme die raffiniertesten formen der modernen mathematik heranziehen muss. Sie haben zum beispiel entdeckt, das die heiratsverbindungen das schema sind, zu dem die anderen sozialen einrichtungen nur das rankenwerk bilden. Denn selbst in den modernen gesellschaften, wo die rolle der familie sich verringert, ist die intensität der familienbande nicht weniger groß: sie beschränken sich lediglich auf einen engeren kreis, an dessen peripherie andere bande, die andere familien miteinbeziehen, jene ersten bald ersetzen. Die verflechtung von familien mit hilfe von heiratsverbindungen kann zur entstehung enger verbindungen zwischen einigen gruppen oder loser verbindungen zwischen sehr zahlreichen gruppen führen, aber ob eng oder lose, diese verbindungen halten den ganzen sozialkörper zusammen und geben ihm seine elastizität. Mit erstaunlicher intelligenz haben die Australiden die theorie dieses mechanismus entwickelt und eine bestandsaufnahme der wichtigsten methoden seines funktionierens gemacht mit allen vorzügen und nachteilen dieser methoden. Damit haben sie die stufe der empirischen beobachtung überschritten und sind zur erkenntnis der mathmatischen gesetze dieses systemes übergegangen, so dass es keineswegs übertrieben ist, in ihnen nicht nur die begründer der allgemeinen soziologie zu begrüssen, sondern auch diejenigen, die als erste das mass in die sozialwissenschaften eingeführt haben. ....
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Man hat schon zu viel aufhebens davon gemacht, wem jeweils das verdienst der ersterfindung zukommt: den Phöniziern für die schrift; den Chinesen für das papier, das schiesspulver, den kompass; den Indern für das glas und den stahl. Diese beiträge sind weniger wichtig als die art, wie jede kultur sie einordnet, aufnimmt oder ausschliesst. Und die originalität jeder kultur beruht vielmehr auf ihrer besonderen weise, probleme zu lösen und werte herauszustellen, die für alle menschen annähernd die gleichen sind: denn alle menschen ohne ausnahme besitzen eine sprache, techniken, eine kunst, kenntnisse wissenschaftlicher art, religiöse vorstellungen und eine soziale, ökonomische und politische organisation. Das mischungsverhältnis ist jedoch in jeder kultur nicht ganz das gleiche, und die moderne ethnologie bemüht sich in wachsendem masse weit mehr, die verborgenen ursprünge dieser optionen aufzudecken als eine bestandsaufnahme einzelner wesenszüge zu machen
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Weit davon entfernt, sich gegeneinander abzukapseln, erkennen vielmehr alle zivilisationen nach und nach die überlegenheit der westlichen zivilisation an .... die ``unterentwickelten'' länder werfen den anderen in den internationalen gremien ja nicht vor, dass sie sie verwestlichen, sondern dass sie ihnen nicht schnell genug die mittel zur verwestlichung geben.
Wir berühren hier den empfindlichsten punkt unserer darlegung: es wäre also sinnlos, die eigenständigkeit der kulturen gegen sich selbst zu verteidigen ....
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese option für die westliche lebensweise oder einige ihrer bestandteile weit davon entfernt ist, so spontan zu sein, wie der westen es gerne annimmt. Sie ist weniger das ergebnis einer freien entscheidung als des fehlens anderer möglichkeiten. Die westliche zivilisation hat in der ganzen welt ihre soldaten, niederlassungen, plantagen und missionare etabliert; sie hat, direkt oder indirekt, in das leben der farbigen völker eingegriffen; sie hat ihre traditionelle lebensweise von grund auf umgewälzt, indem sie entweder ihre eigne durchsetzte oder verhältnisse schuf, unter denen sich die vorhandenen strukturen auflösten, ohne dass sie durch andere ersetzt wurden. Die unterjochten oder desorganisierten völker hatten also keine andere wahl, als die ersatzlösungen, die man ihnen bot, zu akzeptieren oder, wenn sie dazu nicht bereit waren, darauf zu hoffen, dass sie sich ihnen so weit anpassen könnten, um sie mit ihren eigenen waffen schlagen zu können ....
Wir wollen hier keine kulturphilosophie betreiben, über das wesen der von der westlichen zivilisation vertretenen werte kann man ganze bände schreiben. Wir greifen nur die offensichtlichsten auf, die am wenigsten bestritten werden. Sie reduzieren sich, wie mir scheint, auf zwei: die westliche zivilisation strebt - nach Leslie White - danach, einerseits die energiemenge pro kopf der bevölkerung ständig zu vergrößern, andererseits das menschliche leben zu schützen und zu verlängern, und etwas verkürzt kann man sagen, der zweite aspekt ist eine modalität des ersten, da ja die vorhandene energiemenge absolut zunimmt mit der dauer und dem interesse der individuellen existenz. Ebenso wird man, wieder etwas verkürzt, ohne weiteres zugeben können, dass diese merkmale von kompensatorischen, gewissermaßen bremsenden erscheinungen begleitet sein können wie die großen massaker, die die weltkriege darstellen, und die ungleichheit bei der aufteilung der verfügbaren energie zwischen den individuen und klassen.
Danach wird man als nächstes feststellen, dass sich die westliche zivilisation diesen aufgaben zwar mit einer ausschliesslichkeit gewidmet hat, in der vielleicht ihre schwäche liegt, aber dass sie damit nicht allein steht. Alle gesellschaften, angefangen von den allerfrühesten, haben sich in dieser weise verhalten, und gerade die sehr weit zurückliegenden, ganz archaischen gesellschaften, die wir gerne mit den ``wilden'' völkern der gegenwart gleichsetzen, haben auf diesem gebiet die entscheidensten fortschritte gemacht. Auch heute noch bilden diese den größten teil von dem, was wir zivilisation nennen. Wir leben immer noch von den ungeheuren entdeckungen dessen, was man ohne übertreibung die neolithische revolution nennt: ackerbau, viehzucht, töpferei, weberei. All diese ``zivilisationstechniken'' haben wir seit 8000 oder 10000 jahren nur perfektionieren können
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Die ganze wissenschaftliche und industrielle revolution des westens entspricht etwa einem halben tausendstel des gesamtlebens der menschheit. Man sollte also vorsichtig sein mit der behauptung, dass sie ihre bedeutung total verändern werde.
Ebenso steht fest - und das ist die endgültige formulierung, die wir unserem problem glauben geben zu können -, dass hinsichtlich der technischen erfindungen (und der wissenschaftlichen reflexion, die sie ermöglicht) die westliche zivilisation sich als kumulativer erwiesen hat als die anderen, dass sie dem gemeinsamen neolithischen anfangskapital verbesserungen hat zufügen können (alphabetische schrift, arithmetik und geometrie), von denen sie einige übrigens rasch vergessen hat, dass sie aber nach einer stagnation von etwa 2000 oder 2500 jahren (ungefähr vom 1. jahrtausend vor unserer zeitrechnung bis zum 18. jahrhundert) sich plötzlich als der brennpunkt einer indurstriellen revolution herausgestellt hat, die an umfang, universalität und folgenschwere nur in der neolithischen revolution ein äquivalent hat.
Zweimal in ihrer geschichte und in einem abstand von ungefähr 10000 jahren hat die menschheit also eine menge von erfindungen, die in die gleiche richtung gingen, akkumulieren können, und sowohl diese anzahl als auch diese kontinuität haben sich in einer zeitspanne konzentriert, die kurz genug war für das zustandekommen hochgradiger technischer synthesen .... Wir haben oben dargelegt, warum unsere eigne industrielle revolution und die neolithische revolution (die jener zeitlich vorausgegangen, aber von den gleichen bestrebungen gekennzeichnet ist) die einzigen sind, die uns als solche erscheinen, weil wir sie mit unserem bezugssystem erfassen können. Alle anderen veränderungen, die sich mit sicherheit vollzogen haben, sind für uns nur fragmentarisch oder völlig verzerrt erkennbar. Sie haben für den modernen westlichen menschen keinen sinn (jedenfalls nicht ihren vollen sinn); sie können für ihn sogar so gut wie nicht existent sein.
.... sollte ihn das beispiel der neolithischen revolution (der einzigen, die sich der moderne mensch einigermaßen vorstellen kann) zu etwas mehr bescheidenheit veranlassen, was den vorrang angeht, den er für eine bestimmte rasse, ein bestimmtes gebiet oder land in anspruch zu nehmen versucht sein könnte. Die industrielle revolution ging von Westeuropa aus, griff dann auf die Vereinigten Staaten und schliesslich auf Japan über; seit 1917 beschleunigt sie sich in der Sowjetunion, morgen wird sie sicher woanders auftreten; von einer jahrhunderthälfte zur anderen strahlt sie mit mehr oder weniger großer stärke von ihren verschiedenen zentren aus. Was bedeuten angesichts der jahrtausende jene fragen der priorität, auf die wir so stolz sind?
Innerhalb von etwa 1000 oder 2000 jahren wurde gleichzeitig die neolithische revolution im ägäischen becken, in Ägypten, im vorderen orient, im Industal und in China ausgelöst .... Wir können daher sicher sein, dass die industrielle revolution, wenn sie nicht zuerst in West- und Nordeuropa aufgetreten wäre, sich eines tages an einem anderen punkt der erde abgespielt hätte
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Fortschritt ist also niemals etwas anderes als ein maximales fortschreiten in einer von den vorlieben eines jeden vorausbestimmten richtung
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Das einzige verhängnis, der einzige makel, der eine menschengruppe treffen und an der vollen entfaltung ihrer natur hindern kann, ist, isoliert zu sein
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Wir haben vielmehr zeigen wollen, dass der wirkliche beitrag der kulturen nicht in der liste ihrer besonderen erfindungen besteht, sondern in dem `differentiellen abstand' [écart différentiel], den sie voneinander haben
.... Die weltzivilisation kann nichts andres sein als die weltweite koalition von kulturen, von denen jede ihre originalität bewahrt ....
Wenn wir die begriffe in dem sinne verstehen, den wir ihnen gegeben haben, so wissen wir, dass jeder kulturelle fortschritt funktion einer koalition zwischen den kulturen ist. Diese koalition besteht in der (bewussten oder unbewussten, willentlichen oder unwillentlichen, beabsichtigten oder zufälligen, gesuchten oder erzwungenen) zusammenlegung der chancen, die jede kultur in ihrer historischen entwicklung hat; schliesslich haben wir gesehen, dass eine solche koalition umso fruchtbarer war, je unterschiedlicher die kulturen waren, zwischen denen sie zustande kam. Danach haben wir es also offenbar mit widersprüchlichen bedingungen zu tun. Denn dieses zusammenspiel, aus dem jeder fortschritt resultiert, wird zwangsläufig über kurz oder lang zu einer homogenisierung dessen führen, was jeder spieler einbringt. Und wenn die unterschiedlichkeit eine anfangsbedingung ist, so werden andrerseits die gewinnchancen um so schwächer, je länger die partie fortgesetzt wird. Gegen diese unvermeidliche folge gibt es, so scheint mir, nur zwei mittel. Das eine besteht darin, dass jeder spieler in seinem spiel `differentielle abstände' provoziert; das ist durchaus möglich, weil ja jede gesellschaft .... aus einer koalition von verschiedenen gruppen besteht, konfessionellen, ökonomischen und berufsgruppen, und der gesellschaftliche einsatz sich aus den einsätzen aller dieser mitglieder zusammensetzt. Die sozialen ungleichheiten sind das augenfälligste beispiel dieser lösung. Die beiden großen revolutionen, die wir zur illustration herangezogen haben, die neolithische und die industrielle revolution, waren nicht nur von einer differenzierung des sozialkörpers begleitet, wie Spencer richtig gesehen hat, sondern auch von der einführung differentieller status zwischen den einzelnen gruppen, vor allem in ökonomischer hinsicht. Man hat seit langem festgestellt, dass die neolithischen entdeckungen rasch zu einer sozialen differenzierung geführt hatten mit der entstehung der großen stadtkonzentrationen und der herausbildung der staaten, kasten und klassen im alten orient. Das gleiche gilt für die industrielle revolution, die durch das auftauchen eines proletariats bedingt war und neue, intensivere ausbeutungsformen der menschlichen arbeit hervorbrachte. Bisher neigte man dazu, diese sozialen veränderungen als folge der technischen veränderungen anzusehen und in einem ursache-wirkung-verhältnis aufeinander zu beziehen. Wenn unsere interpretation zutrifft, so muss die vorstellung einer kausalitätsbeziehung (mit der entsprechenden zeitlichen aufeinanderfolge) aufgegeben werden - wozu die modernen wissenschaften ja ganz allgemein neigen - zugunsten des begriffs einer funktionalen korrelation zwischen den beiden phänomenen. Nebenbei bemerkt mag uns die anerkennung der tatsache, dass der technische fortschritt die entwicklung der ausbeutung des menschen durch den menschen zum historischen korrelat hatte, zu einer gewissen zurückhaltung bei den bekundungen des stolzes veranlassen, den das erste der genannten beiden phänomene so gern bei uns hervorruft.
Das zweite mittel ist weitgehend vom ersten bedingt: es besteht darin, auf freiwilliger basis oder mit gewalt neue, diesmal äussere partner in die koalition hineinzubringen, deren ``einsätze'' sich stark von denen unterscheiden, die den ursprünglichen bund kennzeichnen. Auch diese lösung ist versucht worden, und wenn sich mit dem begriff kapitalismus im großen und ganzen die erste lösung bezeichnen lässt, so lässt sich die zweite lösung mit den begriffen imperialismus oder kolonialismus illustrieren. Die koloniale expansion des 19. jahrhunderts hat es dem industriellen Europa in großem maße ermöglicht (und das gewiss nicht nur zu seinen gunsten), eine spannkraft zu erneuern, die ohne einführung der kolonisierten völker in den kraftstrom viel schneller hätte erlahmen können
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Die menschheit hat es ständig mit zwei einander widersprechenden prozessen zu tun, von denen der eine zur vereinheitlichung strebt und der andere zur erhaltung oder wiederherstellung der differenzierung ....
Man muss also das gras wachsen hören, verborgene möglichkeiten fördern, alle berufungen zu gemeinsamem leben, die die geschichte parat hält, erwecken; man muss auch bereit sein, ohne überraschung, abscheu und empörung ins auge zu fassen, was alle jene neuen sozialen ausdrucksformen unweigerlich an ungewohntem aufweisen werden. Toleranz ist keine kontemplative einstellung, die dem, was war oder ist, mit nachsicht begegnet. Es ist eine dynamische haltung, die darin besteht, was sein will, vorauszusehen, zu verstehen und zu fördern. Die verschiedenheit der menschlichen kulturen ist hinter uns, um uns und vor uns. Die einzige forderung, die wir in dieser hinsicht erheben können (und die für jeden einzelnen entsprechene pflichten schafft), ist, dass sie sich in formen realisiere, von denen jede ein beitrag zur größeren generosität der anderen sei



Claude Levi-Strauss, Rasse und Geschichte, (Race et histoire), Paris, Unesco, 1952, deutsche Ausgabe Frankfurt, suhrkamp Taschenbuch 62, 1972




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