back home      
current source is   http://www.men-kau-ra.de/lehrerhasser.html
Index / Stichworte
Das LehrerHasserBuch
Eine Mutter rechnet ab
Lotte Kühn alias Gerlinde Unverzagt
Auszüge
Die Lehrer haben die entsagungsreiche Aufgabe, Grundtypen der Menscheit zu
verkörpern, mit denen es der junge Mensch später im Leben zu tun
haben wird. Groß tritt dem jungen Menschen in der Schule in
unvergesslichen Gestaltungen der Unmensch gegenüber. Dieser besitzt eine
fast schrankenlose Gewalt. Ausgestattet mit pädagogischen Kenntnissen und
langjähriger Erfahrung, erzieht er den Schüler zu seinem
Ebenbild.
Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche
Warum eigentlich dürfen Kinder ihren Klassenlehrer nicht selbst
wählen?
Indem ich damals über meine eigenen Erfahrungen als junger Lehrer an
schlechten Schulen nachgedacht habe, bin ich draufgekommen, dass es das
Wichtigste ist, schlechten Lehrern in diesem Sinne die Möglichkeit zu
schaffen, die Schulen zu verlassen
Karl R. Popper
Die Schule wurde vor rund 300 Jahren genau deshalb erfunden, weil die Menge der
Kenntnisse, die man brauchte, um das Leben zu meistern, die verfügbare
Zeit der Eltern und oft genug auch ihren Horizont überstieg. Aus genau
diesem Grund entstand der Lehrerberuf. Und nicht etwa, weil eine erkleckliche
Anzahl alt gewordener, zutiefst bedürftiger Kinder sich ein wenig nach
Gesellschaft sehnte und glaubte, vor dem wirklichen Leben in Klangmulden,
Matschecken und Toberunden fliehen und so das Älterwerden schwänzen
könnte. Da in der Spielecke bei den lieben Kleinen, da gefällt es den
Lehrern, da sind sie rundum versorgt, und da wollen sie bleiben.
Die schützende Distanz im Lehrer-Schüler-Verhältnis scheint
dahin. Das Verhältnis zur Leistung leider auch.
Überhaupt: Abspeisen - darin sind sie Weltmeister.
Dass Frau Ruthenstroh, die kein Kind der Klasse kennt, als weibliche
Begleitperson mit auf die Klassenfahrt fahren würde, hat der Klassenlehrer
morgens den Kindern und abends den Eltern auf dem Elternabend mitgeteilt. Den
Eltern ist das eigentlich wurscht, schließlich kennen sie weder die eine
noch die andere Lehrerin besonders gut. Was liegt näher, als die
Schüler selbst zu fragen, wen sie sich als weitere Begleitperson
wünschen? Die Wirklichkeit: Bei den Schülern regt sich Widerspruch,
sogar annähernd einstimmig, was bei zwanzig Dreizehnjährigen auch
eher die Ausnahme ist. Sie wollen alle viel lieber mit der
Französischlehrerin fahren, die sie mögen und von der sie sich
akzeptiert fühlen. Selbstredend hat sie niemand gefragt, deshalb fragen
die Kinder selbst die Französischlehrerin. Ja, klar, sagt die. >>Ich
würde auch gerne mit euch fahren, aber ich darf Herrn Gelernter doch da
nicht reinreden.<< Klassenfahrten sind, genauso wie der Unterricht, eben reine
Privatsache.
Erfurt revisited ...
Das muss man sich mal vorstellen: Da gehen Schüler und Lehrer Beziehungen
ein, die sie beide nicht selbst wählen oder bestimmen können -
außer auf der Grundlage persönlichen Akzeptierens und Respektierens.
Wo man für den Lehrer noch ein Quentchen Freiwilligkeit zumindest am Punkt
seiner Entscheidung, Lehrer zu werden, erspähen kann, hat der Schüler
noch nicht einmal eine Wahl.
Gerade weil die Schüler ihre Zeit nicht freiwillig in der Schule
verbringen, erwarten sie etwas, was das Bleiben lohnt. Und das kann eine
spannende Chemiestunde sein, eine Auseinandersetzung mit einem herausfordernden
Text oder ein facettenreicher Blick auf historische und politische Ereignisse.
Bevor diese Art von wünschenswertem Unterricht gelingen kann, muss das
Fundament stimmen: Die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung ist der
limitierende Faktor, denn je schlechter die einzelnen Beziehungen sind, desto
geringer fällt die Identifikation des Schülers mit der Schule aus.
Schüler, die sich ungerecht und unfair von ihren Lehrern behandelt
fühlen, deren Verhalten als willkührlich und unkalkulierbar erleben,
können nicht gut lernen und neigen außerdem auch sehr viel
stärker zu aggressivem Verhalten als Schüler, die das nicht so
erleben. Tun wir doch nicht dauernd so, als sei der Zusammenhang zwischen
Schulversagen und Gewaltbereitschaft nicht längst über
persönlichen Augenschein und mit Hilfe solider wissenschaftlicher Studien
belegt.
Da muss der Lehrer schon allein aufgrund seines Vorsprungs an Lebenserfahrung
in Vorleistung gehen, denn es gehöhrt zu seiner Aufgabe, das Vertrauen der
zu Belehrenden erst einmal zu gewinnen. Der Lehrer, nicht der Schüler,
gestaltet die Beziehung und zeichnet für deren Qualität
verantwortlich. Der Schlüssel zum (Lern-)Erfolg liegt in einer Kultur der
Anerkennung. Das ist keine Kuschelpädagogik, sondern dient dem simplen
Umstand, bei Schülern erst einmal die emotionalen Voraussetzungen für
das Lernen schaffen zu müssen - auch wenn das schlimmstenfalls nicht mehr
ist, als sie wenigstens nicht zu zerstören. Misslingt dies, indem dieses
Verhältnis von einer Seite oder beiden gestört ist, sind Konflikte
unausweichlich. Lässt es der Lehrer dann auch noch am notwendigen Respekt
vor seinen Schülern mangeln, tritt er die wichtigste Bildungsmaxime mit
den Füßen: Man darf Kinder nicht beschämen. Kein Kind darf
kleingemacht oder verletzt werden. Kein Kind muss die unflätige
Ausdrucksweise eines Lehrers tolerieren. Vergreift sich eine Lehrkraft im Ton,
muss sie sich bei den Schülerinnen und Schülern entschuldigen - das
ist doch das mindeste!
Natürlich stellt sich der Lehrer immer außerhalb des Konflikts. Mit
welchem Recht eigentlich sind nur ihre Gedanken verbindlich und haben Kinder
keine wirkliche Möglichkeit zum Widerspruch, zu einer eigenen Meinung?
So, als habe das Problem nichts mit ihm zu tun, sondern sei
ausschließlich dem schwierigen Schüler zuzuschreiben. Lehrerinnen
und Lehrer müssen in einer Situation arbeiten, die für die
Schüler genauso wie für sie selbst von Macht, Übermacht,
Ungerechtigkeit und Unfreiheit geprägt ist. Das führt zu
unterschwelligen und offenen Spannungen, aus denen Konflikte entstehen. Dagegen
wird den Lehrern eine Reihe von Schulstrafen, Verordnungen und Gesetzen
bereitgestellt, aber in seiner Not aus Hilflosigkeit, Überforderung und
Ich-Schwäche greift der Lehrer auf ungefähr alle Bosheiten
zurück, zu denen sich Stärkere gegenüber Schwächeren
gemeinhin hinreißen lassen. Diese verstärken Macht und
Übermacht und halten so den schulischen Dauerkrieg aufrecht.
>>Mit deinem Gesicht würde ich mich lieber bei Aldi hinter der Kasse
bewerben<<, verhöhnt der Französischlehrer der fünften Klasse im
Gymnasium ein elfjähriges Mädchen, das gerade über die Vier
unter ihrer Klassenarbeit in Tränen ausgebrochen ist. Das hat sich
herumgesprochen, und die Elternvertreterin besteht auf einem klärenden
Gespräch mit diesem Lehrer und der Schulleiterin. Der Fachbeamte lehnt
sich entspannt zurück, vor Einsicht, Eingeständnis eines Fehlers gar,
schützt ihn sein unkündbarer Beamtenposten. Er lässt die
Elternvertreterin einfach auflaufen: >>Was wollen Sie denn überhaupt? Ich
ziehe meinen Stiefel hier durch. Sie können mir doch gar nichts.<< Die
Schulleiterin schweigt - Schwamm drüber.
Betrachten wir die Beschwerden über die heutigen Schülergenerationen
doch einmal von einer anderen Warte aus. Was tragen allein die gängigen
Lehrerlaster zu dem Trauerspiel an deutschen Schulen bei? Lehrer ignorieren,
vernachlässigen, behandeln ungerecht und reden ihren Schülern
fehlende Begabung ein, sie beschämen wegen Persönlichkeitsmerkmalen
und Herkunft. Sie machen Schüler lächerlich und stellen sie
bloß, sie belasten mit Schuldvorwürfen und setzen sie unter Druck,
der sich im Klassenzimmer epidemisch vervielfältigt: ein Lehrer, der einen
Schüler bloßstellt, gibt ihn zusätzlich der Häme der
ganzen Klasse preis. Notendruck zieht unweigerliche eine Verschlechterung der
Beziehung zwischen Lehrer und Schüler nach sich. Oder hat jemand schon
jemals eine gute Note bei einem Lehrer geschrieben, der ihn nicht leiden
kann?
Der ganze Strauß diskreditierender Verhaltensweisen hat den Rohrstock und
die äußeren Disziplinarmaßnahmen ersetzt. Doch manipulierendes
Psychogefasel, blöde Sprüche auf Kosten der Kinder, abschätzige
Gesten, abwertende Blicke und dämliche Witzeleien schmerzen doch nicht
weniger als Kopfnüsse und Stockschläge, mit denen frühere
Generationen zur Raison gebracht wurden, sondern verletzen eher mehr, weil sie
so überaus unfair, schleichend giftig und indirekt daherkommen.
Es ist doch so: Ein Lehrer, der seinen Schüler mit >>Arschloch<< tituliert,
hätte am nächsten Tag die Eltern auf der Matte stehen und mit viel
Glück tatsächlich disziplinarische Konsequenzen in Gestalt eines sehr
ernsten Dienstgesprächs oder vergleichbarer Schrecklichkeiten zu
gewärtigen. Doch einer, der einen Schüler bloßstellt, vor der
Klasse lächerlich macht, ihm einredet, dumm zu sein, ihn beschämt,
verletzt und demütigt, kommt ungescholten davon. Denn das derart
gekränkte
Kind wird sich dreimal überlegen, ob es die schlechte Meinung, die es
mittlerweile von sich selbst hat, auch noch weiträumig kommuniziert.
Deshalb sind die Schuljahre von Teenagerkindern so viel schwieriger als die
Grundschulzeit. Kleine Kinder können es kaum erwarten, daheim alles zu
erzählen. Wenn sie älter werden, warten sie, brüten vor sich hin
und sagen besser nichts - aus Angst vor dem Lehrer, den Mitschülern
oder dem Wirbel, den das zu Hause verursachen würde, wenn sie doch
etwas erzählen würden. Sie leiden einfach still oder lassen andere
leiden - den Rückzug nach innen treten die einen an, andere wenden ihre
Aggressionen nach draußen. Nur ausnahmsweise rücken sie mit einer
bestürzenden Neuigkeit heraus.
Ein ungleicher Kampf tobt in so manchem Klassenzimmer, bei dem die Verlierer in
der Überzahl sind: Kinder können sich bis weit ins Teenageralter
hinein gegen Ironie nicht wehren, weil sie nicht mit gleicher Münze
zurückzahlen können. Der Lehrer als Raubtierbändiger in seiner
Zirkusarena vor leeren Zuschauerrängen darf sich mit seinen Methoden in
Sicherheit wiegen. Egal ober er Leckerlis verteilt oder mit der Peitsche
knallt, um seine Dressur durchzusetzen - da ist kein Publikum, das sein Tun
beobachtet. Hospitationen von Kollegen kommen so gut wie nie vor, Besuche von
Eltern im Unterricht sind eher die Ausnahme und in Gymnasien praktisch
unbekannt - das ist die eigentliche Botschaft hinter dem Schild am Schultor
>>Schulfremden Personen ist das Betreten nicht gestattet<<.
Wenn der Lehrer die Klassentür schließt, ist er allein mit seinen Schülern.
Auf dem Elternabend versichern einige Mütter und Väter vielleicht noch
eilfertig, ihre Kinder gingen gern zu ihm in die Schule, ansonsten hört
er von ihnen, wenn es einmal ein Problem gibt - im Wesentlichen aber nur, wenn
es um den Übergang auf eine weiterführende Schule geht.
Sobald der Lehrer die Klassentür hinter sich zumacht, ist er König
- ein armer König, der sich die Treue und Loyalität seiner Untertanen
erst einmal verdienen müsste, und weil er das in der Regel nicht schafft,
macht er Druck und herrscht mit unlauteren Methoden und Launen.
Was der Lehrer eigentlich sich selbst fragen müsste, sei hier auszusprechen
einmal erlaubt: Wie viele seiner Schüler säßen da wohl vor ihm,
wenn sie freiwillig kommen könnten?
Kein Schüler vermutet am Anfang einen Feind in seinem Lehrer. Feindbilder
entstehen nicht über Nacht, sie entwickeln sich im Laufe der Zeit - und
Kinder verbringen viel Zeit in der Schule. Mit dreißig anderen in einem
Raum von höchstens fünfundzwanzig Quadratmetern, einen ganzen
Vormittag lang, fünfmal die Woche und auf Jahre hinaus - in diesem
Treibhaus gedeihen die Feindbilder schon ganz von selbst. Der tägliche
Kontakt reicht völlig aus, in Gestalt von Lehrerreaktionen, die
Schüler als unangemessen empfinden. Ihre Eltern übrigens auch,
wenn sie zufällig etwas davon erfahren.
Was wohl Zynismus, Schikanen und Kränkungen von Lehrern gegenüber
ihren Schülern dazu beitragen, dass Schule in den letzten Jahren immer
häufiger in einem Atemzug mit Gewalt genannt wird, darüber darf man
durchaus spekulieren. Sensible Naturen müssen jetzt sehr tapfer sein,
aber: Stellen wir doch einmal, natürlich völlig
unzulässigerweise und kommentarlos, die höchst bedauerlichen
Fälle von zweiundzwanzig ermordeten Lehrern, die seit 1999 von
Schülern erschossen wurden, neben die zwanzig bis fünfundzwanzig
Schüler, die sich jedes Jahr das Leben nehmen
- wobei Schulschwierigkeiten nicht immer, aber
immer öfter eine gravierende Rolle spielen. Ich will wirklich nicht
stänkern. Aber ich vermisse besorgte Politikerstimmen, die wieder mehr
Werteerziehung in der Schule fordern, wenn mal wieder ein verzweifelter
Schulversager vom Hochhausdach in die Tiefe gesprungen ist.
In Zeitungsberichten, Fernsehdokumentationen, Stammtischrunden und
Talkshows tritt gemeinhin immer nur der Schüler als Täter in
Erscheinung. Seine Opfer sind andere Schüler und ja, neuerdings auch
Lehrer. Erstaunlich ist doch, dass der Lehrer als Täter dabei so gut wie
nie vorkommt. Aber ist diese Beschränkung auf Schülergewalt
tatsächlich durch Tatsachen gerechtfertigt? In der Schule können
alle Beteiligten auf verschiedene Weise Gewalt anwenden - aber doch eher
der Lehrer gegenüber den Schülern als umgekehrt.
Geht man davon aus, dass Gewalt etwas ist, das Stärkere Schwächeren
zufügen, dann sind wir in der Schule auf einem Auge blind. Alle
Alltagserfahrungen ganzer Schülergenerationen sprechen eine andere
Sprache: Gewalt, die von Lehrern ausgeht und sich gegen Schüler
richtet, ist beileibe kein so seltenes Ereignis, dass sie in der
Diskussion vernachlässigt werden darf. Sicher, Lehrer werden
Schüler nicht so prügeln, beschimpfen, verunglimpfen, bedrohen,
erpressen, wie es unter Schülern vorkommt. Auch wird kaum ein Lehrer
einem Schüler die Jacke abziehen, das Handy klauen oder ihn gar blutig
prügeln. Aber wenn die Arten der Aggression sich unterscheiden - muss
sich deshalb das Ausmaß an erlebter Kränkung unterscheiden?
Mal abgesehen davon, ob es wirklich angemessen ist, kränkendes Verhalten
unreifer Schüler mit dem gleichen Maß zu messen wie kränkendes
Verhalten eines Berufspädagogen: Ist Lächerlichmachen durch den
Lehrer vor der ganzen Klasse harmloser als Prügel von einem
Mitschüler? Ist das Anherrschen durch den Lehrer weniger verletzend
als obszöne Beleidigungen von Mitschülern? Sind Ignorieren, Blamieren
oder Aufmerksamkeitsentzug, böse Unterstellungen und gemeine
Anspielungen weniger schmerzhaft als die Zerstörung von Eigentum
durch andere Schüler aus Rache oder Bosheit? Viel spricht dafür, dass
den meisten Schülern ebensoviel Kummer von Lehrern bereitet wird, wie
ihn Schüler sich untereinander zufügen.
Lehrer schimpfen, schreien, brüllen, mahnen, stellen zur Rede, prüfen,
arbeiten mit Notendruck, lassen auswendig lernen, verhängen
Strafarbeiten, drohen, diktieren, demütigen, tragen ins Klassenbuch ein,
verteilen schlechte Verhaltensnoten, laden Eltern vor, blamieren, machen
fertig. Was verheilt? Man weiß es nicht genau. Nur manche Erinnerung
daran bleibt ein Leben lang.
Die Lehrkraft steht vorne und versucht, portionsweise Wissen an die ganze
Klasse weiterzureichen. Wenn das nicht funktioniert, jault der Lehrer auf,
die Klasse sei zu groß, da könne er nicht jeden Einzelnen im Blick
behalten. Komisch nur, dass anderswo auch in großen Klassen gelernt
wird, und zwar nachgewiesenermaßen mehr als bei uns. Vielleicht hat
das damit etwas zu tun, dass schlechte Lehrer auch in kleinen Klassen
schlechten Unterricht machen? Und, obwohl es eine ganz kleine Klasse ist, es
nicht schaffen, ihre Schüler als einzelne Persönlichkeiten
wahrzunehmen?
Die Schule als Schutzraum für menschliche Versager - das ist die Kehrseite
eines Schulsystems, das darauf angelegt ist, Personen anzuziehen, denen es
in erster Linie auf Arbeitsplatzsicherheit ankommt.
Jenseits des geschützten Sozialbiotops fliegt raus, wer andauernd
krankfeiert, die Arbeitszeit mit Privatangelegenheiten verbringt, schlechte
Ergebnisse abliefert und mangelnden Arbeitseinsatz erkennen lässt.
Entlassen wird, wer lügt, versagt, die geforderte Leistung verweigert oder
sich sonstwie gegenüber Kollegen und Kunden aus der Verantwortung stiehlt.
In der Schule jedoch ist alles anders: ....
.... Da wandelt sich die Schulpflicht vom Segen in einen Fluch.
.... Berechtigte Einwände gegen das Unterrichtsgeschehen,
das weiß doch jeder Lehrer,
gibt es ja praktisch gar nicht, schon gar nicht von schulfremden
Personen, mit denen sie vor allem die Eltern meinen. Deshalb mauert der
Schulleiter, sobald irgendein dahergelaufener Erziehungsberechtigter den Mund
aufmacht. Der Schulrat als unmittelbarer Vorgesetzter hält's genauso,
schließlich war er früher selbst einmal Lehrer und weiß von
damals noch ganz genau, wie unerträglich das ist, ständig den
bizarren Aktivitäten von Eltern ausgesetzt zu sein.
Statt tatkräftigem Qualitätsmanagement, mit dem anderswo
Vertriebsleiter, Manager und Personalchefs brillieren, herrscht in der Schule
eine eherne Wagenburgmentalität.
Ich will die Lehrer jetzt nicht pauschal verurteilen. Bei ihnen gibt es wie
in jedem anderen Beruf wahre Könner, echte Flachpfeifen und
unspektakuläres Mittelmaß .... Das Problem besteht darin, dass man im
Beamtentum gegen Faule und Falsche und Fehlbesetzungen nicht das geringste
unternehmen kann.
Einen jungen Menschen etwas zu lehren, heißt nicht, einen Eimer
Waser zu füllen, sondern ein Feuer anzuzünden.
Aristoteles
Es ist wahrscheinlich leichter, die private Handynummer von Bruce Willis
herauszufinden als die von einem Lehrer am Gymnasium.
Gute Lehrer mögen ihre Arbeit und identifizieren sich mit ihrer Klasse.
Sie sind durch nichts zu behindern - noch nicht einmal durch Kinder.
Nach meiner nächsten Fünf in der Klassenarbeit nahm er mich beiseite
und sagte, er wolle mir helfen. Drei Monate lang an drei Tagen in der Woche,
jeweils eine halbe Stunde nach dem Unterricht würde er sich mit mir
zusammensetzen und ein spezielles Mathematikbuch durcharbeiten. Danach
würde ich die Sache mit den Algorithmen verstanden haben. Dass er recht
behalten hat, werde ich ihm niemals vergessen.
.... Sicher aber lag es an diesem Lehrer, dass ich am Ende dieses Schuljahres
mehr Latein gelernt hatte als in den dreien davor zusammen.
.... Er hat mir meinen Freiraum gelassen und trotzdem sein Ziel erreicht.
Man könnte auch sagen, er hat mich als eigenständige Person gesehen, die
schon ihre eigenen Gründe für dieses Verhalten haben wird. Und das
wünschen wir uns doch alle: als Individuen gesehen und respektiert zu
werden. Gleichzeitig hat er aber auch die Balance gehalten zwischen
individuellem Respekt und kollektiver Gerechtigkeit - der Aufgabe, einem
Schüler gerecht zu werden, ohne den anderen gegenüber ungerecht zu
werden.
Neugierig frage ich bei Pauline und Johannes nach, warum Herr Täschner der
beste Lehrer ist, den sie haben. Was hat er, was den anderen fehlt?
Einmütig erklären mir die beiden: >>Bei dem merkt man nie, wen er am
liebsten hat. Der ist zu allen gleich freundlich.<<
Na also, da haben wir es doch. In dem Bild vom guten Lehrer, das Schüler
flugs und überraschend einhellig entwerfen, wenn man sie einmal danach
fragt, klingt das Echo des grundsätzlichen Dilemmas des Lehrerberufs
schon an, für das die guten eine Lösung gefunden haben: Ihr eigenes
Verhalten und Auftreten durchweg bewusst steuern zu können und andererseits
dem Unterrichtsgegenstand und dem Schülerverhalten hochkonzentriert
zu begegnen, das ist der Kunstgriff, der gute von schlechten Lehrern
unterscheidet. Wenn dann noch eine Prise Humor dazukommt, sind Schüler
zufrieden und manchmal sogar begeistert - jedenfalls aber leistungsfähig
und bereit, sich auch anzustrengen.
.... Die gleichförmige Behandlung aller ohne Ansehen der Person ist eine
Voraussetzung dafür, die Willkür der Lehrermacht zu zügeln.
Sie nennen es Gerechtigkeit und setzen es ganz oben auf ihre Wunschliste.
Die nicht Lehrer wurden, weil sie für diesen Beruf geeignet sind,
sondern weil sie für alle anderen Berufe ungeeignet sind.
Nicht alle Lehrer sind gleich gut, aber alle sind sie gleich wichtig.
Auf den Lehrer kommt es an. Der muss gut sein, sonst nutzt auch das viele Geld
nichts, das wir uns alle so dringend wünschen, um die Bildung in den
Schulen aufzumöbeln.
Daran sollten sich die, die noch nicht zu den guten gehören, einmal
erinnern. Und dann sei ihnen, als geistigen Entwicklungshelfern und nicht
als Beamten zur Deckung des Unterrichtsbedarfs, das gute Gehalt, die vierzehn
Wochen Ferien und die Sicherheit ihres Postens von Herzen gegönnt.
Wenn die Schule anders aussähe, dann könnten wir endlich loslassen,
weil wir dann sicher sein dürften, dass unsere Kinder in guten Händen
sind. Wir könnten vom Handlanger und Hilfslehrer zum echten
Erziehungspartner und Mitredner avancieren, dessen Stimme etwas wiegt.
Gewählte Elternvertreter könnten mitbestimmen über Einstellung
und Entlassung eines Lehrers und würden für ihr Ehrenamt vom
Arbeitgeber freigestellt wie Schöffen und Wahlhelfer auch.
.... Denn in der Schule, von der ich träume, treffe ich die Lehrer in der
Zeit zwischen acht und sechzehn Uhr zuverlässig an ihrem Arbeitsplatz
an.
Für die Lehrer, von denen ich träume, ist das eine klare Sache: Der
Arbeitsplatz eines Lehrers ist das Klassenzimmer. Und meine Kinder,
die etwas nicht verstanden haben, können sich auch an ihre Lehrer
wenden. Die haben nachmittags Extra-Sprechstunden für Schüler, und es
gibt einen schuleigenen Nachhilfeunterricht, in dem sich die Lehrer um
die Kinder kümmern, die Schwierigkeiten mit dem Lesen, Rechnen und
Schreiben haben. Es passt viel Lehrerengagement in einen normalen
achtstündigen Arbeitstag. Und dann werden sich die Lehrer schon ganz
selbstverständlich über ihre Schüle unterhalten
- ganz einfach, weil sie mehr von ihnen mitbekommen.
....
Wenn wir die Schulen Deutschlands erneuern wollen, dann müssen wir wohl
bei den Lehrern anfangen. Die neuen Lehrer, die wir bräuchten, wären
dann die Besten eines Jahrgangs und nicht mehr die, denen nichts Besseres
eingefallen ist.
....
Bessere Lehrer für unsere Kinder, das wollen wir, und zwar sofort - weil
sie es uns wert sein müssen.
....
Es kann schließlich nur besser werden - also: Bitte, liebe Lehrer,
macht endlich euren Job!
Index / Stichworte
back home
current source is http://www.men-kau-ra.de/lehrerhasser.html