die SONNE
lateinisch `Sol', griechisch `Helios', Symbol (Hieroglyphe bis heute,
Transliteration `ra')
Zentralkörper unseres Planetensystemes (Sonnensystemes)
mittlere Entfernung von der Erde 149.6 Mkm
Durchmesser 1.392 Mkm = 109 Äquatordurchmesser der Erde
Masse = 333,660 Erdmassen
Mittlere Dichte 1.4 g/cm2
Schwerebeschleunigung an der Oberfläche 28 mal größer als
am Erdäquator
Rotationszeit: siderisch 25.38 Tage, synodisch (von der Erde aus gesehen)
27.3 Tage am Äquator, in höheren Breiten bis zu mehrere Tage
größer
Neigung des Sonnenäquators gegen die Ekliptik 7°15'
Strahlungstemperatur an der Oberfläche (Photosphäre) 5,785 K
Im Zentrum Temperatur 15 MK
Dichte 134 g/cm3, Druck 22*10e15 Pa
Die Sonne ist ein Fixstern vom Spektraltypus G 2 V und gehört im
Hertzsprung-Russell-Diagramm der "Hauptreihe" an
Sie strahlt am intensivsten im sichtbaren Spektralbereich;
das Intensitätsmaximum liegt bei einer Wellenlänge von 450 nm
Das Sonnenspektrum zeigt die Anwesenheit des größten Teils der
chemischen Elemente.
Nicht nachweisbar sind die Edelgase Neon, Argon, Krypton, Xenon,
einige Halogene und viele schwere Metalle; verhältnismäßig
häufig sind Natrium, Aluminium, Calcium und Eisen; in den kühleren
Sonnenflecken kommen auch chemische Verbindungen (zB Titanoxid) vor.
Die häufigsten Elemente sind Wasserstoff
und Helium mit einem Anteil von etwa 90 bzw 8 Gewichtsprozent
Aufbau der Sonnenatmosphäre: Photosphäre, Chromosphäre, Korona;
besondere Erscheinungen auf der Sonne: Sonnenflecken, Fackel, Granulation
Seit 1942 ist die Sonne auch als Radiostrahler und seit den
Raketenaufstiegen der 1950er Jahre auch als Röntgenstrahler bekannt.
Hauptquelle sind die Korona und Sonnenflecken bzw. Sonneneruptionen. Von einer
stets vorhandenen Radiostrahlung wird eine gestörte Radiostrahlung
(Radiostürme) unterschieden
Die Sonne hat ein allgemeines Magnetfeld mit einer Stärke von
1 bis 2*10e-4 Tesla. Im Rhythmus der Sonnenfleckenperiode (11 Jahre) zeigt es
Schwankungen und Umpolungen
die Seele
In seiner fragenden Suche nach einem Absoluten,nach etwas, das dem Strom der
Zeitlichkeit und dem Gesetz der Vergänglichkeit enthoben ist, fand er in
den strömenden Strahlen der Sonne das Geheimnis des Seins und der
Unergründlichkeit der Schöpfung ... ein in sich selbst ruhendes
Urbild, als Urgott, an dem er unmittelbar teilhaben konnte ...
Die Sonne bildete ... für den Ägypter eine Allseele, von der er seine
eigene Seele empfing ...
Namen des Sonnengottes = Seelengottes sind unter anderen:
Re,
Kepher,
Atum oder Tum = Die Abendsonne,
Horus = Der in der Höhe = Der Ferne,
Harachte oder Horus Achtj, Re-Harachte,
Re-Atum, Re-Harachte-Atum, Re-Atum-Kepher-Harachte und Aton
, wobei der
älteste und wichtigste Name Horus ist. Seine symbolische Gestalt ist die
eines den Himmel bildenden Falken, dessen Augen die Sonne und der Mond sind und
dessen Flügelspitzen die Grenzen der Erde berühren.
Der Ägypter bezeichnet seinen Seelengott, die Sonne als
"Erzeuger, ohne erzeugt zu sein. Einzigartiger, der die
Ewigkeit durcheilt, der mit Millionen
(Menschen) unter seiner Leitung auf den Wegen wandelt ... Re bist du, der Erbe
der Ewigkeit, der sich erzeugte und sich selbst gebar ... der (alles) Wesen
schuf ... der das Seiende hervorbrachte" ....
Zunächst wurde wurde der König seit den frühesten Zeiten mit dem
Seelengott, der Sonne, identifiziert - König Djoser z.B.,
der Erbauer der Stufenpyramide von Sakkaara, bezeichnete sich als den
"goldenen Re". Erst in der 4. Dynastie treffen wir zum ersten Male bei
König Chefren den Titel "Sohn des Re" oder
"leiblicher Sohn", der später zur festen
Eigenschaft eines jeden Königs wurde ....
Nachdem der Götterkönig, der Seelengott Amun-Re, vor einer ihm
untergeordneten Götterversammlung ankündigte, dass er einen neuen
König zu zeugen wünsche, sprach er mit seinem nächtlichen
Vertreter, dem Mondgott Thoth, über das Wesen der begehrten
Frau ....
"(Da tat der Gott mit ihr) alles, was er gewollt hatte ... Dann sprach die
Königin Ahmes zu der Majestät dieses Gottes Amon: O mein Herr, wie
groß ist doch deine Gewalt, es ist herrlich, dein Antlitz zu sehen, du
hast meine Majestät mit deiner Trefflichkeit versehen, indem dein Tau
durch all meine Glieder gegangen ist ... da sagte Amon zu ihr: Chement-amon
Hatschepsut ist der Name dieser Tochter, die ich in deinen Leib
gelegt habe" ...
Nicht nur die Krone, sondern auch die sich an der Stirn des ägyptischen
Königs aufbäumende Uräusschlange war eine Vertreterin des
Sonnenauges bzw. des Seelengottes ....
Gleichzeitig ist die Schlange auch das Diadem des Königs, der außer
ihr noch eine Krone für Oberägypten und eine für
Unterägypten trägt, die wiederum auch seit der Zeit der
Pyramidentexte als die beiden Schlangen und die beiden Augen gelten ....
.... das Sonnenauge die Tochter des Gottes .... war die Hathor [s.u.],
die ja auch Sonnenauge heißt, und in deren Tempel zu Dendera trug man ja
alljährlich das Bild der Göttin auf das Dach, damit sie ihren
Vater schaue
.... König Echnaton
[Ach.n.Atun = Strahl der Sonne Atun]
in der 18. Dynastie nur die Gestalt des Seelengottes,
der Sonne, aus ihren verschiedenen Umhüllungen, sei es in der Form eines
Falken oder in der Form des Amon-Re, enthüllt hat und ihn, der sich seit
der 1. Dynastie gleichgeblieben war, in seiner natürlichen Gestalt als
Sonnenscheibe mit ausströmenden Strahlen darstellte. Diese
Enthüllung, die man fälschlich als neue monotheistische Religion
bezeichnete .... geschah .... entsprechend dem .... Gesetz, dass agglutinierte
und umhüllte Bilder mit der Zeit ihre Agglutinationskraft verlieren, so
dass das natürliche, ursprüngliche Bild immer klarer hervortritt; im
Falle Echnatons nur mit dem einen Unterschied, dass er diese Auflösung der
Agglutination und Enthüllung des natürlichen Bildes des Seelengottes
mit Gewalt durchsetzen wollte.
.... Lotosblume ... Name .... ist Nefertem und bedeutet
"Gut ist Atum"
Die einleitende Bezeichnung "Gott, Sohn Gottes" schreibt
der goldenen Blume
die Wesensart einer sich selbst zeugenden göttlichen Kraft zu, was uns an
den vorher erwähnten sich selbst erzeugenden König bzw. Gott
erinnert.
.... Entsprechend dieser Eigenschaft als Träger und "Verleiher"
der Ka-Seele stand der König, der "Sohn des Re", als
alleiniger Mittler
zwischen Gott (Sonne) und den Menschen. Dieser Vermittlung bedurften die
Menschen, um am ewigen Sein, das in dem Ka des Königs für
sie Gestalt
gewonnen hat, Anteil zu haben. Dementsprechend wird den Menschen ihre Ka-Seele
erst durch den König vermittelt. .... Namen, in denen nach
altägyptischer Auffassung der Ka bzw. die Seele lebendig und
gegenwärtig war, kennzeichneten die ewige Wesenheit der
Persönlichkeit. .... wenn man einem Ägypter die Verbindung zum ewigen
Jenseitsleben abbrechen wollte, man von den ersten Dynastien an seinen Namen -
und dann Namen und Bild - austilgen musste .... Der Ägypter nannte diese
Ka-Namen "große Namen", um sie von den dem
Alltagsgebrauch dienenden
Eigennamen, die man als "schöne Namen" bezeichnete, zu
unterscheiden.
.... beinhaltet die Darstellung der Sonnenseele ihrer äußeren
Erscheinung nach den symbolischen Gehalt einer Tür, einer Verbindungsform
zwischen der Seele des Königs und ihrem Ursprung, der Sonne. Über die
äußere Form der Tür hinaus verbirgt aber diese Darstellung ....
die am Anfang stark verhüllten Phänomene des Urhügels, des
Urwassers, der Urpflanze und der Sonne, die die Bestandteile des Sonnen-Mythos
bilden, nach dem die Sonne aus der aus dem Urgewässer auftauchenden
Lotusblume hervorgeht.
Durch seine .... Teilhabe an der Sonne, nämlich dass er die Diesseitsleben
seine Ka-Seele von der Sonne, sei es wie in den früheren Zeiten
über den König als Mittler oder später,
besonders seit dem Ende des Alten Reiches, direkt empfing
und dass er nach seinem Tode zu einem Ach-Sonnenstrahl
wurde, konnte der Ägypter sein ewiges Leben mit den Millionen
Sonnenstrahl-Seelen sichern.
Im Horusfalken selbst ist der Allschöpfer, die Sonne verdichtet, da der
Falkenvogel ein Symbol des männlichen Gliedes, bzw. der Zeugungskraft ist;
eine Eigenschaft der ägyptischen männlichen Sonne, die das Leben
täglich bis in die Ewigkeit erzeugt.
.... Sonnenseele durch ihre tägliche, ewige Verbindung mit der vom
Urhügel erscheinenden Sonne als Seelenempfänger und durch ihr Umgeben
des Leichnams gleichzeitig als Seelenstrahler. .... wählte der
Ägypter den täglichen Erscheinungsort der Sonne, nämlich den vom
Urgewässer umgebenen Urhügel als seinen Begräbnisort, von dem
seine Seele ihre Reise ins Jenseits antreten konnte. Damit vollzieht sich die
jenseitige Wiedergeburt des Verstorbenen aus dem Urhügel, auf dem sich
sein einbalsamierter Körper in einem Sarg befindet.
.... Urhügel-Grab .... übertragen .... auf die Pyramidenform ....
konnte der König durch einen im Inneren des Sockels angelegten Weg
emporsteigen, um von dort aus die aufgehende Sonne persönlich zu
verehren.
Bekanntlich dient das ägyptische Wort Ka zugleich zur Bezeichnung des
Stieres und wird in dieser Bedeutung mit dem Deutezeichen des Phallus
verbunden, was uns zeigt, dass Ka und Stier als Konkretisierung des Begriffes
`Zeugungskraft' seit Urzeiten wesensgleich sind. Daher wird die Quelle aller
Ka-Zeugunskraft in der Welt, nämlich die Sonne, der Seelengott, als
"Stier (Gatte) seiner Mutter" bezeichnet, was auf die tägliche
Selbstzeugung des Seelengottes, dessen "Gefährtin"
ja zugleich seine Gattin und seine Mutter ist, hinweist.
Die Grundzüge dieser Vorstellung von der "Mutter-Gattin"
wurde von der
allgemeinen Religionswissenschaft in Afrika und Vorderasien festgestellt:
".... ein Fruchtbarkeitsgott stirbt, erzeugt sich neu in einer weiblichen
Gottheit, die mithin zugleich die Rolle seiner Gattin und Mutter übernimmt
und steht verjüngt in frischer Schöpferkraft wieder auf. So
versinnbildlicht er das Stirb und Werde der Natur."
.... Demzufolge ist Nut die Himmelsgöttin, die Mutter, die die Sonne
gebiert und gleichzeitig die Mutter des Ägypters selbst, der nach seinem
Tode als "Osiris" (ägyptisch heißt Osiris "Sitz des
Sonnenauges"[Orion (Osiris), der Vater der Götter])
bezeichnet wurde.
[Dabei bezeichnet `Nut' nicht den gesamten himmel (Pt), sondern nur den
von der Sonne von ost nach west täglich durchschrittenen Streifen: Nut
dargestellt als eine über die Erde sich ausspannende Frau mit Beinen im
Osten und Kopf im Westen. Die untergehende Sonne geht in den Mund ein und wird
zwischen ihren Schenkeln geboren]
Der Horuskönig verkörpert die Kräfte der `beiden Herrinnen', der
Kronengöttinen Nechbet und Uto (dritter Königstitel).
Demnach muss jeder König über die weibliche Kraft gebieten, um wie
die Sonne durch die Vereinigung mit der eigentlichen Kraft sich selbst erzeugen
zu können.
Die Vereinigung der beiden Länder Oberägypten und Unterägypten
geschieht also durch den König in seiner Eigenschaft als irdische
Erscheinung der Sonne, des Seelengottes, der, obwohl er die männliche
Potenz verkörpert, dennoch über die weibliche gleichzeitig gebietet,
wodurch er sich selbst täglich zeugen kann.
In der alten heiligen Stadt Jun-Heliopolis z.B. hatte man den von selbst
entstandenen Urgott und Weltschöpfer Atum, die Sonne, in der Gestalt und
Tracht eines Königs mit den beiden ineinandergesteckten, bisexuell
gedachten ägyptischen Kronen auf dem Haupte verehrt, da er innerhalb der
Götterwelt die Königswürde beanspruchte und aus dem
Urgewässer Nun aus einem Ur-Hügel in die Welt getreten sein
sollte, "ehe noch der Himmel und die Erde entstanden und ehe ein Wurm oder
Gewürm erschaffen war".
Da er aber danach fand, dass er allein war, dachte er sich, Genossen zu
schaffen. Durch Selbstbesamung [durch Masturbation, in seiner Hand] erzeugte er in sich den Luftgott Schu und dessen
Schwester Tefnut, die Feuchtigkeit, die er durch Ausspeien zur Welt
brachte, worauf dann dieses Paar den Erdgott Geb und die
Himmelsgöttin Nut erzeugten, und diese wieder erzeugten den
Osiris und den Seth, die Isis und die Nephthys.
Diese alle hatten dann einst über die Welt geherrscht und, da
sie neun an der Zahl waren, nannte man sie die Neunheit oder, genauer, die
"große Neunheit von Heliopolis".
.... Vorstellung der Schöpfung als das Zusammenlegen der männlichen
Potenzen (Zähne, Samen) und der weiblichen Potenzen (Lippen, Hände)
des bisexuellen Gottes. Aus dieser Zusammenlegung wurden nicht nur alle
Götter geschaffen, sondern vor allem zwei schöpferische Potenzen,
die eine männlich (Ka-Seele) und die andere (die Hemuset)
das weibliche Korrelat des Ka.
.... so auch der schöpferische Akt des "Denkens"
als ein Zeugungsakt aufgefasst wurde, worauf das Verbum "denken"
.... in diesem Text mit der
männlich gezeichneten Ka-Hieroglyphe geschrieben wird ....
In der " Lehre des Ptahhotep " um 2500 v. Chr. heißt es:
....
"Folge deinem Herzen, solange du auf Erden weilst.
Tue nicht mehr als gesagt wird, und vermindere nicht die Zeit, wo du
`dem Herzen folgst'. Denn es ist ein
Vergehen (gegen die Ka-Seele), wenn man `seinen Augenblick' (d.h. den
Augenblick seiner höheren Eingebung) zuschanden macht.
Lass dich nicht von
den Dingen des Alltags in Anspruch nehmen darüber hinaus, dein Haus zu
bestellen. Es gedeihen (auch) die äußeren Dinge dessen, der `seinem
Herzen folgt'. Aber niemals wird etwas zustande gebracht, wenn es
(d.h. die innere Stimme, die im Herzen spricht) vernachlässigt
worden ist",
und an einer anderen Stelle statt "Folge deinem Herzen", heißt
es: "Folge deiner Ka-Seele", was unverkennbar darauf hinweist,
dass der Ägypter das Herz als Verkehrsort der von dem Seelengott,
der Sonne herstammenden Ka-Seele verstanden hat, von dem aus sie das Leben
des Menschen verwirklicht.
In einem Pyramidentext wird auch der König so genannt: "Der, der
über die Ka-Seele ist, der die Herzen vereinigt ..." ....
Das Leben eines jeden Menschen besteht also aus der fortdauernden Beziehung
zwischen seiner männlichen Ka-Seele und seinem Leibe .... in Form einer
geschlechtlichen Vereinigung zweier Potenzen .... Denn das ägyptische Wort
für "Leib" heißt "ht" und bedeutet
gleichzeitig "Gebärmutter", was uns zeigt,
dass der Leib als Sitz des weiblichen
Prinzips aufgefasst wurde und demnach der weiblichen, kosmologischen
Himmelsgöttin Nut entspricht.
.... Existenz einer zweiten Seele, einer Ba-Seele im Leibe ....
durch deren
Anwesenheit Götter sowie Lebewesen beseelt sind. Diese Ba-Seele
unterscheidet sich von der männlichen Ka-Seele dadurch, dass sie mit dem
weiblichen Leibe verbunden, und daher - im Gegensatz zu der Ka-Seele - vom
"zweiten Tode" bedroht war ....
weiter mit dem von der Gefahr der Zersetzung
bedrohten Leibe verbunden bleibt. ....
Die göttlichen Eigenschaften, die die Ka-Seele einem Menschen, einem
König oder einem Gotte verleiht, sind, entsprechend ihrer
Abhängigkeit von der Sonne, ewige Werte wie die bekannten
14 Ka's des Seelengottes ....:
Stärke, Macht, Gedeihen, Speisung, Ehrwürdigkeit,
Lebensdauer, Strahlen, Glanz, Ruhm, Zauber (Hike), Ausspruch (das
schöpferische Wollen), Sehen, Hören, Erkennen ....
Strebungen des "Über-sich-hinaus-seins"
.... der Ägypter die Summe der Sonnenstrahlen mit dem Worte
"stwt" bezeichnete, die zu Sonnenstrahlen gewordenen Menschen
aber "Achw" nannte
Die Form, in der der Ägypter die Körperseele, die Ba-Seele,
symbolisch wiedergab, erschien entweder als Vogel oder als Vogel mit
Menschenkopf, oft mit Götterbart, um ihren göttlichen Charakter zu
bezeichnen .... handelt es sich bei der Ba-Seele um die Lebenskraft, durch die
der Organismus des Leibes lebt, solange sie von ihm Besitz nimmt. ....
Das ägyptische Wort Ba bedeutet nicht nur Seele, sondern auch Widder,
wobei die Rolle des Widdergottes in der ägyptischen Kultur die war, den
Leib des Menschen auf der Töpferscheibe zu bilden. ....
Demnach ist die auf der geschlechtlichen Potenz des Widders beruhende
symbolische Funktion des Töpfergottes Chnum als Bildner von
Leibern der
Lebewesen auf die körperlich geschlechtliche Zeugung beschränkt, die
er dann nicht ohne den Befehl des Seelengottes, dem er dient, üben
kann .... Ohne diese Ba-Seele wäre der Organismus unfähig, die
Ka-Seele aufzunehmen ....
.... die Ba-Seele nicht nur im Blute und im Leibe als belebende Lebenskraft
fließt, sondern außerdem das Lebensschiff und das Verhalten
des Menschen
lenkt .... beide, obwohl sie von ein- und demselben Gotte, dem Seelengotte,
herstammen, vertreten zwei ähnliche - in ihrer Ähnlichkeit aber zwei
Pole bildende - Prinzipien, indem die Ka-Seele den Willen und die Stimme des
Seelengottes im Herzen des Menschen vertritt, die Ba-Seele aben den Willen und
das Wollen des Menschen antreibt. Steht der Wille des Menschen nicht in vollem
Einklang mit dem Willen des Seelengottes, so bedeutet das ein Übertreten
der "Ordnung", der "Wahrheit", der
"Gerechtigkeit" (alle drei Begriffe
heißen auf Ägyptisch "Ma'at"),
die der Seelengott geschaffen und in die Welt gesetzt hat .... Hört man
auf die Stimme Gottes, das "Wort des Re",
das ihm durch seine Ka-Seele übermittelt wird, dann wird alles in der
rechten Ordnung sein und das Verhalten des Menschen entspricht dann der Ma'at,
dem Willen des geschauten Gottes.
So sagt Ptahhotep: "Jeder, der gehört hat,
ist etwas Treffliches, und
trefflich ist es für einen, der gehört hat zu hören. Hören
ist schöner als alles, was es gibt, und schöne Beliebtheit wird
dadurch zuteil. Wie schön ist es, wenn ein Sohn aufnimmt, wenn sein Vater
redet; damit wird das Alter zuteil. Wen der Gott liebt, der hört, aber
nicht hört der, den der Gott hasst; das Herz ist es, das seinen Herrn zum
Hörenden oder zum nicht Hörenden macht. Das Glück für den
Menschen ist sein Herz ...."
Die Gerechtigkeit [die Ma'at, das Wort Gottes, das "aus dem Munde des Re
kommt"] .... dauert bis in Ewigkeit und steigt mit dem,
der nach ihr handelt, bis in die Unterwelt hinab
.... in dem negativen Glaubensbekenntnis im .... Zauberspruch 125 des
Seelenbuchs sagt der Ägypter dem Seelengott:
Heil dir, Gott, du großer, der Wahrheit-Gerechtigkeit Meister,
Du mächtiger Herrscher! Nun tret ich vor dich!
Lass deine strahlende Schönheit mich schaun! ....
Siehe ich bringe in meinem
Herzen Wahrheit-Gerechtigkeit,
Denn ausgerissen daraus habe ich das Böse
Nicht habe ich bewirkt das Leiden der Menschen,
Noch meinen Verwandten Zwang und Gewalt angetan
Nicht habe ich das Unrecht an die Stelle des Rechtes gesetzt,
Noch Verkehr gepflegt mit den Bösen
Ich habe keine Verbrechen begangen,
Ließ nicht die Anderen sich abmühen über Gebühr
Nicht habe ich Ränke aus Ehrgeiz geschmiedet
Meine Diener habe ich nicht misshandelt
Den Göttern habe ich nicht gelästert
Dem Bedürftigen habe ich nicht die Nahrung entzogen
Die von den Göttern verabscheuten Handlungen sind mir fremd
Ich habe nie zugelassen, dass ein Diener
Von seinem Meister misshandelt würde
Nie habe ich ein Leiden veranlasst
Die Hungersnot habe ich nie verursacht
Meine Mitmenschen ließ ich nicht Tränen vergießen
Ich habe nicht getötet noch einen Mord angestiftet
Ich habe keine Krankheit unter den Menschen verbreitet
Die Opfergaben in den Tempeln habe ich nicht gestohlen
Das heilige Brot, den Göttern bestimmt, habe ich nicht geraubt
Die Opfer habe ich nicht den geheiligten Geistern entzogen
Schändliche Handlungen habe ich nicht in den Tempelmauern begangen
Meine Opfergaben habe ich nicht vermindert
Durch den Gebrauch verwerflicher Mittel
Habe ich nicht versucht, mein Eigentum zu vergrößern,
Noch fremde Felder mir anzueignen
Weder habe ich die Gewichte der Waage gefälscht,
Noch den Waagebalken verschoben
Die Milch habe ich nicht dem Kindesmunde entzogen,
Mir nicht angeeignet das fremde Vieh auf den Wiesen
Nicht habe ich Fallen gestellt, noch Schlingen gelegt
Für das den Göttern bestimmte Geflügel
Mit Fischleichnam habe ich nicht die Fische gefangen
Die Gewässer habe ich nicht versperrt zur Zeit ihres Fließens
Die Dämme habe ich nicht beschädigt,
Die auf dem fließenden Wasser gebaut sind
Ich habe nicht ausgelöscht ein Feuer, das brennen sollte
Die Regeln über das Opfer des Fleisches hab ich nicht missachtet
Ich habe mir nicht angeeignet
Das Vieh, das den Göttertempeln gehört
Die Götter habe ich nicht verhindert, kund sich zu tun
Ich bin rein! Ich bin rein! Ich bin rein! Ich bin rein!
.... wird das Herz des Toten gegen die Feder, das symbolische Schriftbild der
Ma'at, der Wahrheit und Gerechtigkeit, abgewogen. Der schakalköpfige
Totengott Anubis übernimmt das Wägen des Herzens des Toten ....
Rechts von der Waage steht der ibisköpfige Wägemeister Thot,
um das Ergebnis des Wägens, den Gleichstand der Waagschalen,
zu registrieren.
.... unterscheidet zwischen einem schwachen sündigen Herzen, das auf
Gottes Wort nicht hört .... und einem starken Herzen ....
Der ägyptische Ausdruck "kfa-ib",
der hier als "der Charakterfeste"
wiedergegeben worden ist, heißt eigentlich "der Mann mit
enthülltem Herzen", bzw. "der Mann offenen Herzens", der
keine Sünde zu verhüllen hat; weder z.B. "grg" (Lüge),
noch "'n.ib"
(widerrechtliches Beschlagnahmen)
Der flüchtige Augenblick, da man die Strahlen der Sonne empfängt,
gilt mehr als die Ewigkeit
Der symbolische Ausdruck, den der Ägypter für diesen
geistig-geschlechtlichen Verkehr mit der Sonne verwendete, ist das Öffnen
des Mundes, der Augen, der Nase und der Ohren; für den
leiblich-geschlechtlichen Verkehr mit der eigenen Himmelshülle, seiner
Mutter Nut, verwendete er den Ausdruck "Öffnen der
Türflügel des Himmels" ....
Durch diese Sohn-Vater-Beziehung schenkt der Sohn seinem Vater Osiris das
Leben, indem der Sohn selbst sein eigenes Wesen in seinem Vater am Leben
erhält
In dieser vorhistorischen Zeit lebten die alten Ägypter in einer
matrilinearen Familiengemeinschaft .... Mit anderen Worten: es gelang dem
altägyptischen Volke, die ödipale Phase seiner Entwicklung mit der
Gründung der ersten Dynastie und der Anerkennung der männlichen
Herrschaft seiner ersten Könige zu überwinden. Denn eine solche
Anerkennung männlicher, königlicher Macht hätte nicht erfolgen
können, wenn ihr nicht ein
"Friedensschluss zwischen Vätern und Söhnen"
vorausgegangen wäre .... erst eine Gesellschaft organisieren
konnten, nachdem sie das Vatertum erkannt und anerkannt haben.
[cf hierzu die vaterlose
Gesellschaft
und die kindliche Gesellschaft]
.... dass "der Staat für den einzelnen Menschen eine ähnliche
Bedeutung hat wie die väterliche Autorität für das Kind"
hat, was der Auffassung Freuds entspricht, wenn er mit vollem Recht sagt,
dass die Anerkennung der Position des Vaters in der Familie den wichtigsten
Fortschritt in der kulturellen Entwicklung bedeutet.
Vielmehr wurde die Sonne schon in der vorödipalen Phase, zur Zeit des
matriarchalen Systems, als solcher verehrt, aber nicht in der männlichen
Form, die sie über 3000 Jahre lang nach dem Abschluss der ödipalen
Phase, dem Umbruch zum patriarchalen System beibehalten hat.
Diesem im Geiste vollzogenen Epochenumbruch (Kulturgeist) folgte unmittelbar
die Blüte der ägyptischen Kultur, die uns in den Denkmälern
(Kulturleib) des Alten Reiches, der Pyramidenzeit, überliefert ist. Diese
Zeit von etwa 3200 bis 2300 v.Chr., die der ödipalen Phase im Lebensalter
der ägyptischen Kultur folgte, bildet also das kräftige, mannbar
Jugendalter und damit den Höhepunkt des Kulturgeistes und des Kulturleibes
in Altägypten
Das ägyptische Schriftbild für das feminine Wort Horizont
(Achet)
deutet auf eine Vertiefung hin, die von zwei großen Lippen umschlossen
ist, zwischen denen die männliche Sonnenscheibe täglich auf- und
untergeht .... Schon in den ältesten religiösen Texten Ägyptens,
den Pyramidentexten, finden wir eine symbolische Hindeutung auf diese Geburt
des Lichtes aus der Vulva eines beseelten, heiligen Baumes .... Damit die Seele
des Ägypters also im Jenseits ewiglich als Sonnenstrahl wiedergeboren
werden konnte, musste sie, der Sonne gleich, mit demselben Himmelsbaum
verkehren, um aus dessen sexuell-mystischer Spaltung
[für den sexuell-mytischen Verkehr zwischen Sonne und Himmelsbaum
benutzte der alte Ägypter den symbolischen Ausdruck "spalten"
oder "teilen" ....]
täglich mit dem
Sonnenaufgang erscheinen zu können .... meist dem Himmelsbaum der Name der
zur Himmelsgöttin gewordenen Hathor oder direkt der Himmelsgöttin Nut
beigelegt wird, wie es z.B. im Seelenbuch "Sykomore der Nut"
heißt ....
Zwischen zwei solchen Himmelsbämen (.... "zwei Sykomoren aus
Türkis", die am östlichen Tor des Himmels stehen)
geht die Sonne Re täglich am Morgen hervor ....
Der alte Ägypter vermochte also seinen Leib, nachdem die Seele ihn in
diesem Leben verlassen hatte, durch verschiedene kosmisch-magische Handlungen
in jenen kosmischen Himmelsbaum umzuwandeln, damit seine Sonnenstrahl-Seele von
Neuem durch den sexuellmythischen Verkehr mit dem Himmelsbaum, dem Osiris,
täglich und ewiglich neu geboren werden konnte. In seiner Suche nach einem
geeigneten Orte für die Bepflanzung dieses Himmelsbaumes, nämlich
für die Beisetzung seines einbalsamierten, beseelten Baum-Leichnams, musste
er beachten, dass dieser Ort gleichzeitig auch geeignet sein muss für den
kosmischen Verkehr dieses Himmelsbaumes mit dem Sonnenstrahl des Seelengottes.
Dazu bot sich ihm der Erscheinungsort der Sonne, nämlich der Urhügel
an, weshalb er sein Grab in der Form eines solchen göttlichen Hügels
baute
.... Hathor-Kuh .... zwischen ihren Hörnern - als Symbol für die
beiden Himmelsbäume? - die sinkende Sonne in sich aufnehmen, worauf ihr
Name "Hat-Horus" (= Haus der Sonne Horus) hindeutet ....
Bezeichnen wir hier .... Hathor, den Himmelsbaum in der symbolischen
Gestalt
einer Kuh, als den Leib bzw. die Gattin des Seelengottes, der Sonne Horus, so
finden wir dazu in unserer christlichen Religion eine ähnliche Parallele,
wenn wir die Kirche als den Leib bzw. die Braut Christi betrachten. Eine andere
Parallele finden wir in der Blickrichtung des Tempels des altägyptischen
Seelengottes, der Sonne und der heutigen ägyptischen Nationalkirche, der
koptischen [ai gyptos - die kopten - Ägypter] Kirche,
als der Braut Christi, da beide immer nach Osten blicken,
in Richtung der aufgehenden Sonne, was sicherlich kein Zufall sein wird
Eine Verbindung zwischen dem Phönix und dem Ba-Seelenvogel
finden wir
darin, dass ebenso, wie der Ba-Vogel seinen symbolischen Sitz auf dem Baume des
Osiris bzw. auf dem Baumleibe des Verstorbenen fand, es auch im Sonnentempel zu
Heliopolis eine heilige Weide (tr.t) gab, die als Nistbaum für den
Phönix diente. Diese Weide war nichts anderes als ein Himmelsbaum, dem
Osiris-Baum gleich, von dem aus die Sonne täglich aufgeht, worauf
der ägyptische Name des Phönix "Benu",
vom Wortstamm wbn (=aufgehen) abgeleitet, hindeutet.
Die ägyptischen Texte bringen diese
Verbindung noch stärker zum Ausdruck, indem sie den Phönix in der
Regel als die "herrliche Ba-Seele, die aus dem Herzen des Osiris[Baumes]
hervorging", ansprechen.
Um diesen beseelten Himmelsbaum vor einem Grabe oder einem Tempel symbolisch zu
verewigen, kam der alte Ägypter auf die Idee, ihn in der Form eines
Obelisken darzustellen. Die Spitze des Obelisken und auch die der Pyramiden
bekamen daher ihre Bezeichnung "Benben" aus dem gleichen Wortstamm
"wbn",
aus dem der Name des Phönix abgeleitet wurde, da die Benben-Spitze der
Pyramide sowie die des Obelisken eben als Sitz des Benu-Vogels gedacht wurde.
Demnach können wir mit dem alten Ägypter leicht erkennen, wie er den
Obelisken sowie die Pyramide als den urhügeligen Himmelsbaum gedacht hat,
aus dem der Seelengott, die Sonne, morgens durch Spaltung erscheint und ihn
nachts einwohnend wieder erfüllt ....
Bezeichneten wir den Obelisken auch als Symbol des gleichen Himmelsbaumes, so
wird uns die Zweizahl der Obelisken verständlich sein, die wir in den
Sonnenhöfen der Tempel des Neuen Reiches, den Altar flankierend,
finden
Kurz gefasst, beruht die gesamte Weltanschauung des alten Ägypters
hinsichtlich des ewigen Lebens im Jenseits darauf, dass seine Seele nach dem
Tode zu einem lichten Sonnenstrahl wird, der im Jenseits von einem beseelten
Himmelsbaum täglich durch sexuell-kosmischen Verkehr mit seinem eigenen
Himmelsbaum-Leibe wiedergeboren wird.
Zur Zeit des revolutionären Königs Echnaton .... begannen viele
Ägypter unter der Führung ihres Königs .... die Suche nach der
Wahrheit .... die `Unwahrheit' des bisher verehrten Himmelsbaumes .... u.a.
dadurch abzuschaffen, dass man die Namen der in Zusammenhang mit dieser alten
Anschauung vom Verkehr zwischen Sonne und Himmelsbaum stehenden Götter
tilgte .... Für den monotheistischen König Echnaton gab es nur einen
Gott im Himmel, den Seelengott, den er als die "lebende Sonne, die ZUERST
gelebt hat" bezeichnet .... der Gott der Schöpfung, die Sonne,
am Anfang dagewesen ist. Sie ist ewiglich da, ohne irgendeiner Wiedergeburt
aus einem Himmelsbaum zu bedürfen
Aus Rizq Makram, Kulturgeist und Kulturleib - Kulturpsychologie des
alten Ägypten, Selbstverlag Rizq Makram,
Tübingen, 1. Auflage 1967
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