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Wirtschaftspolitik im Detail
Der Konsument beraubt sich selbst der Freiheit
Der Fall Microsoft


USAtoday 14mar2001:
U.S. District Judge Thomas Penfield Jackson said his involvement with the company's monopoly trial helped him to form ``unfavorable judgments as to the lawfulness of Microsoft's business practices.'' ....
Jackson wrote that Microsoft has ``an institutional disdain for both the truth and for rules of law,'' and that its executives are ``not averse to offering specious testimony to support spurious defenses to claims of its wrongdoing.''
He also said he retains the beliefs about Microsoft and its executives that were quoted in several newspaper articles and books about the trial. In those, Jackson compared Microsoft chairman Bill Gates to Napoleon and compared the company to a drug-dealing street gang.


Die Geschichte eines Aufstieges

Erster Teil: Das Microsoft-Monopol

Aufkaufen, abkupfern, ausschalten: vom Aufstieg einer Software-Firma

Prozesse wegen wettbewerbswidriger Praktiken säumten den Aufstieg der Microsoft-Ware zum Desktop-Monopol. Auch der vorläufige Abschluss des Kartellverfahrens bedeutet noch keinen Schlussstrich unter die unendliche Geschichte von Markt und Macht

Die Geschichte der Software-Schmiede Microsoft ist so eng mit dem PC verknüpft, dass vielen Usern die innige Verbindung von 'Windows' und 'PC' als naturgegeben erscheint - kaum erstaunlich bei heute mehr als 90 Prozent Marktanteil des 1975 gegründeten Unternehmens bei den Desktop-Betriebssystemen. Daran wird auch das - möglicherweise erst vorläufige - Ende des langjährigen Kartellverfahrens gegen Microsoft, das am 19. Oktober seinen vierjährigen Geburtstag feiert, nichts ändern - bei allen Auflagen, mit denen Microsoft konfrontiert wird, ändert sich an der gegenwärtigen Situation auf dem Markt für Desktop- und Server-Betriebssysteme wenig.
Doch als Mitte der siebziger Jahre die ersten Kleincomputer mit den Mikroprozessoren aus dem Hause Intel und Motorola auf den Markt kamen, waren andere Firmen weitaus erfolgreicher. Apple beispielsweise, zwei Jahre später als Microsoft gestartet, brachte es 1984 bereits auf Erlöse von 1,5 Milliarden Dollar, während Microsoft zu dieser Zeit gerade mal 98 Millionen Dollar Umsatz machte. Dass sich das Blatt so wenden konnte, verdankt Microsoft einem Glücksfall.
IBM benötigte 1980 für den verspätet erfolgten Markteintritt in das PC-Geschäft rasch ein Betriebssystem und war beim CP/M-Hersteller Digital Research zunächst abgeblitzt. Auf der Suche nach Alternativen kamen die Unterhändler mit Gates, Allen und Ballmer ins Geschäft, die aber das Produkt, das sie verkaufen wollten, noch nicht einmal besaßen und pokerten. Sie wussten, dass das kleine Unternehmen Seattle Computer Products des Ingenieurs Tim Patterson Q-DOS besaß, einen CP/M-Klon, der unter Insidern als `quick, and dirty operating system' bekannt war. Erst zwei Tage, nachdem Gates und seine Kompagnons den 186,000-Dollar-Vertrag mit IBM abgeschlossen hatten, sicherten sie sich für 50,000 Dollar die Rechte an Q-DOS, das sie nach einigen Veränderungen in 'Microsoft Disk Operating System' (MS-DOS) umbenannten. Als IBM später herausfand, dass Gates ihnen einen CP/M-Klon verkauft hatte, waren sie so verschreckt, dass sie Digital Research 800,000 US-Dollar für das Versprechen zahlten, sie nicht zu verklagen, berichtet Wendy Goldmann-Rohm in ihrem Buch 'Die Microsoft-Akte'.

Wie alles anfing

Begonnen hatte alles mit einem öffentlichen Gut. Mitte der sechziger Jahre hatten John Kemeny und Thomas Kurtz am Dartmouth College (New Hampshire) zur Einführung in das Programmieren den 'Beginner's All-purpose Symbolic Instruction Code' (BASIC) entwickelt. Bill Gates und sein Schulfreund Paul Allen entdeckten 1974 in der Zeitschrift 'Popular Electronics' den Mikrocomputer Altair 8080, der nur in Maschinensprache programmiert werden konnte. Sie adaptierten BASIC für den Altair und boten den Interpreter dem Hersteller MITS an. Der legte ihre Software zunächst dem Intel-8080-Rechner bei, doch als der Geschäftspartner angesichts der vielen Raubkopien schon bald darauf verzichtete und sich auf den Verkauf der Hardware beschränkte, blieben prompt die Lizenzeinnahmen aus. Gates und Allen schalteten einen Schlichter ein. Dessen Schiedsspruch ließ monatelang, auf sich warten und ging schließlich zu Gunsten von Microsoft aus, doch zwischenzeitlich war das letzte Geld für die Anwaltskosten draufgegangen; zeitweilig stand das junge Unternehmen kurz vor dem Bankrott.
Im Herbst 1981 kam der erste PC von Big Blue mit der Microsoft-Software zum Preis von knapp 3000 Dollar auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt war IBM keineswegs auf Microsoft festgelegt, sondern doch noch mit Digital Research ins Geschäft gekommen und lieferte den PC wahlweise mit MS-DOS oder CPIM aus. Allein nach Qualitätskriterien hätte das Rennen zu Gunsten von CPIM ausgehen müssen. Intel beispielsweise hatte das Microsoft-Betriebssystem intern mit vernichtenden Ergebnissen evaluiert. `Diese Leute sind Spinner', urteilte der zuständige Mann bei dem Chiphersteller, John Wharton über die Software-Truppe in Seattle. 'Sie machen nichts wirklich Neues und sie haben keine Ahnung von dem, was sie tun. Ihre Ansprüche sind ziemlich niedrig, und es ist nicht einmal sicher, ob sie selbst die eingelöst haben'. Aber Gates und Allen kannten die Szene besser und setzten nun alles daran, DOS zum Durchbruch zu verhelfen, indem sie Hobby-Programmierer und andere Software-Firmen ermunterten, Anwendungen für ihr Betriebssystem zu schreiben. IBM hatte zwecks schneller Marktdurchdringung eine offene Lizenzpolitik betrieben, die auch die rasante Verbreitung von Klonen der `IBM-kompatiblen' PC-Architektur förderte. Dies sicherte Microsoft wiederum die größere Hardware-Plattform; MS-DOS dominierte schnell den PC-Markt.
Diese Position wurde erst mit dem Aufkommen der Graphical User Interfaces gefährdet. Dass grafische Benutzeroberflächen mit Symbolen und Mausklicks den im Umgang mit Kommandozeilen und Tastatureingaben weniger geübten Usern das Leben wesentlich erleichtern, hatten bereits die Entwickler von Xerox am Palo Alto Research Center propagiert. Konkurrent Apple brachte die neue Technik 1983 als Erster auf den Markt und landete damit einen riesigen Erfolg. Bill Gates bemühte sich, das Macintosh-Betriebssystem zu lizenzieren, erhielt aber von Apple eine Abfuhr. Deshalb zog Microsoft 1985 mit einem grafischen Betriebssystemaufsatz zu DOS nach, doch gegen Mac OS kam Windows nicht an; erst 1990 zeichnete sich mit der Version Windows 3.0 der Umschwung ab.

Der Icon-Krieg

Apple hatte schon 1988 Microsoft vorgeworfen, mit der Gestaltung der Fenster und Icons das 'Look and Feel' des Macintosh abgekupfert zu haben. Der langjährige Urheberrechtsstreit endete letztinstanzlich 1995 mit einer Niederlage von Apple. Im selben Jahr erschien Windows 95, und wieder sahen sich die Apfel-Designer um ihre schöpferischen Leistungen erleichtert. Erneut zog Apple, als Unternehmen inzwischen schwer angeschlagen, vor Gericht. Erst Steve Jobs selbst, der 1985 aus der Firma gedrängt worden war und, 1997 auf den Chefsessel zurückgekehrt, ein glänzendes Comeback hinlegte, durchschlug den Knoten. Er verglich sich mit Gates, den er - beide sind Jahrgang 1955 - seit den sechziger Jahren kannte und und mit dem er eine Zeit lang sogar befreundet gewesen war. Microsoft stieg mit 150 Millionen Dollar gegen stimmrechtslose Aktien bei dem strauchelnden Konkurrenten ein und rettete ihn womöglich vor dem drohenden Konkurs. Im Gegenzug, ließ dieser gegen eine Abfindung in unbekannter Höhe die Klage fallen, MS habe mit dem Betriebssystem Windows seine Schutzrechte verletzt. In einer Lizenzvereinbarung räumten sie sich gegenseitig für fünf Jahre die volle Nutzung der Patente des anderen ein.
Anders als das Markenzeichen `Windows` suggeriert, hatte Microsoft auch die heute selbstverständliche Fenstertechnik nicht selbst entwickelt. Sie war lange zuvor auf Unix-Systemen eingeführt (X Window) und Apple verwendete sie auf dem legendären Macintosh, ehe Microsoft sie einsetzte. Den Coup landete Gates jedoch, als es ihm gelang, 'Windows' als Trademark zu reklamieren. Das US Patent and Trademark Office, das die Eintragung als geschützte Handelsbezeichnung zunächst verweigert hatte, musste sich im Widerspruchsverfahren den Microsoft-Anwälten beugen. Der umgangssprachliche Begriff, der lediglich neutral den Stand der Technik beschrieb, war in der Kombination `MS-Windows' plötzlich ein proprietäres Markenzeichen geworden, und Microsoft die `Windows-Company', die ihr Terrain seither weiträumig verteidigt: Als unlängst der Startup Lindows.com mit dem Linux-basierten Betriebssystem `LindowsOS' auf den Desktop-Markt kam, wollte Redmond der kleinen Firma per einstweiliger Verfügung die Verwendung des Namens `Lindows' untersagen lassen. Das lehnte das Gericht ab; jetzt wird der Streit von damals im Hauptverfahren möglicherweise erneut ausgetragen.

FUD

Gerüchte, dass Microsoft zur Festigung seiner Marktposition auch vor unlauteren FUD-Taktiken nicht zurückschreckte, nämlich der Kundenbindung durch das gezielte Streuen von `Fear, Uncertainty and Doubt' über Konkurrenzprodukte, gab es immer wieder. Der interne Schriftwechsel, den das Unternehmen im Kartellverfahren offen legen musste, dokumentierte schließlich einen besonders krassen Fall: Mit Kenntnis der Unternehmensspitze hatten Programmierer im Herbst 1991 einige Vorabversionen von Windows 3.1 mit einer vorgetäuschten Fehlermeldung ausgestattet, die jedes Mal auf dem Bildschirm erschien, wenn man den Betriebssystemaufsatz über das von dem alten Konkurrenten Digital Research entwickelte DR-DOS an Stelle des hauseigenen MS-DOS installierte. Damals musste Microsoft befürchten, dass IBM - immer noch der wichtigste Kunde - auf das leistungsstärkere DR-DOS umschwenken würde. Obwohl die Fehleranzeige nur kurzzeitig zu sehen war, erreichte sie den Zweck, das Vertrauen in DR-DOS nachhaltig zu erschüttern, weil sie den Eindruck einer schwer wiegenden Inkompatibilität hervorrief.
Netzwerkhersteller Novell, der DR-DOS von Digital Research übernommen hatte, war aber auf die Zusammenarbeit mit Microsoft angewiesen und wollte oder konnte dagegen nicht vorgehen. Doch Novell-Gründer Ray Noorda, der 1994 aus dem Unternehmen ausschied und später den Linux-Distributor Caldera gründete, ließ nicht locker. Er erwarb für 400,000 Dollar die Rechte an DR-DOS und klagte gegen Microsoft, mit unfairen Mitteln das Konkurrenzprodukt vom Markt gedrängt zu haben. Drei Wochen vor Prozessbeginn verglich sich Microsoft im Januar 2000 überraschend mit Noorda, dem Vernehmen nach kostete Gates die Beilegung mehr als 200 Millionen Dollar. Schon bei der Einführung von Windows 3.0 waren Vorwürfe laut geworden, Microsoft verschaffe sich mit der Vormachtstellung bei den Betriebssystemen wettbewerbswidrig Vorteile bei der Anwendungssoftware. Um die Kompatibilität ihrer Anwendungen zu den jeweils nächsten Versionen von DOS und Windows zu sichern, müssen sich die Entwickler über die Spezifikationen der neuen Schnittstellen verständigen. Offiziell werden dazu Vertraulichkeitsvereinbarungen (Nondisclosure Agreements, NDAs) unterzeichnet, doch schon damals argwöhnten Wettbewerber, dass Microsoft die dabei erlangten Informationen über die Projekte anderer in die eigene Produktentwicklung einfließen lasse. Umgekehrt schwor Microsoft mit den NDAs die unabhängigen Software-Entwickler auf die eigene Plattform ein und untersagte ihnen Arbeiten für andere Betriebssysteme für einen Zeitraum von drei Jahren, wenn sie Vorabversionen der Upgrades aus Redmond bekommen wollten.
Zudem hatte Microsoft den Computerherstellern (OEMs) hohe Preisnachlässe gewährt, wenn diese bereit waren, Lizenzgebühren für jedes veräußerte Gerät statt nur für jede verkaufte Windows-Installation zu entrichten. Der Mechanismus war subtil, aber wirksam. Solche Konditionen benachteiligten die anderen Software-Hersteller, denn Redmond kassierte immer, selbst wenn die Geräte mit Betriebssystemen wie OS/2 Warp von IBM oder Novells DR-DOS ausgerüstet waren. Was da unter dem Deckmantel eines Mengenrabattes daherkam, lief tatsächlich auf den geradezu klassischen Fall eines Vertrages (zwischen Microsoft und OEM) zu Lasten Dritter (von Wettbewerbern und Kunden) hinaus. Rabatte, die über nachweisbare Mengen- und Kostenvorteile hinausgehen, sind nach US-amerikanischem Recht eindeutig wettbewerbswidrig. Wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nahm die Federal Trade Commission (FTC) 1990 Ermittlungen auf. Aber die Beweislage erschien nicht schlüssig genug. Drei Jahre später brachte die Untersuchung bei der Schlussabstimmumg in der Kommission keine Mehrheit für die Einleitung einer Kartellrechtsklage. Das Department of Justice (DoJ) handelte mit Microsoft einen Vergleich (Consent Decree) aus, der dem Unternehmen jedoch nur wenig Zugeständnisse abverlangte. Es verpflichtete sich, die Vertraulichkeitserklärungen weniger restriktiv zu handhaben und die Lizenzbedingungen zu lockern. Lizenzgebühren sollten nicht mehr pro PC, sondern nur noch pro verkaufter Windows-Installation erhoben werden.
In der öffentlichen Meinung verfestigte sich nun allerdings der Eindruck, die Wettbewerbshüter in der FTC und dem Justizministerium hätten sich von dem Wunderknaben aus Seattle vorführen lassen. Der zuständige Bundesrichter Stanley Sporkin bezeichnete den Einigungsvorschlag als `potenzielle Gefahr für die Wirtschaft dieses Landes' und lehnte zuerst die Unterzeichnung, des `Consent Decree' überraschend ab. `Dem Gericht ist klar geworden', begründete er den Paukenschlag, `wenn es den Vergleich unterzeichnet, wird die Botschaft sein, dass Microsoft so mächtig ist, dass weder der Markt noch die Regierung mit den monopolistischen Praktiken fertig werden.' Unbeirrt aber baute Gates sein Imperium aus. Mit den reichlich sprudelnden Einnahmen ging er auf Einkaufstour, diversifizierte, schloss Kooperationen mit Netzbetreibern und weitete zielstrebig seine Wertschöpfungskette durch Beteiligungen aus (siehe unten Teil zwei).

Überreizt

Die Aufmerksamkeit der Wettbewerbshüter ließ Gates in der Regel weitgehend unbeeindruckt. Mit rüden Methoden gelang es immer wieder, Wettbewerber auszuschalten. Der PC-Hersteller Acer beispielsweise zog 1995 unterschriftsreife Verträge mit Lotus zurück; mit der überraschenden Kehrtwendung wollte das Acer-Management Repressalien durch Preiserhöhungen und Behinderungen bei der Belieferung mit Windows-Updates und Bug-Fixes vermeiden, falls die Firma wie ursprünglich geplant die Computer mit der Anwendungssoftware von Lotus auslieferte. Kunden wurden mit `Vapor-ware' - der Aussicht auf ein noch kommendes und vermeintlich überlegenes Produkt - bei der Stange gehalten. So hielt das 1994 angekündigte `Chicago' viele Kunden von dem Wechsel zu dem bereits auf dem Markt befindlichen OS/2 Warp von IBM ab; tatsächlich kam das Nachfolgesystem für Windows 3.1 unter der Bezeichnung Windows 95 erst im Herbst 1995 auf den Markt.
Im Vorfeld der Markteinführung von Windows 95 ließen die Unterhändler aus Redmond dann IBM ihre Verhandlungsmacht spüren. Der zweitgrößte PC-Hersteller der Welt bot seine Produkte den Kunden wahlweise mit OS/2 oder MS-Windows an; damit war er nicht nur Konkurrent, sondern auch Kunde von Microsoft und auf die Betriebssystemlizenzen angewiesen. Die Microsoft-Mannen wollten IBM dazu bewegen, statt der eigenen OS/2-Entwicklung Windows 95 zum Standard-Betriebssystem zu erklären und zugleich die Vermarktung des Office-Pakets Smart Suite von Lotus - Big Blue hatte Lotus gerade übernommen - um mindestens ein halbes Jahr auszusetzen. Als IBM sich nicht darauf einließ, begann Microsoft zu mauern. Als einziger PC-Hersteller besaß IBM eine Stunde vor dem Launch von Windows 95 am 24. August 1995 noch keine Lizenz. Erst im letzten Moment wurde die Vereinbarung unterschrieben: die Lizenzgebühren, die für Windows 3.11 noch neun Dollar betragen hatten, stiegen auf 60 Dollar pro PC.
Selbst die Symbiose von Microsoft und Intel geriet aus dem Tritt. Als der Internet- und Multi-media-Boom einsetzte, waren die Intel Architecture Labs (IAL) zu der Einschätzung gelangt, dass das Windows-Betriebssystem mit den Fähigkeiten der Prozessoren zur Audio- und Video-Verarbeitung nicht Schritt gehalten hatte, und wollte mit dem Native Signal Processing (NSP) Hard- und Software-Herstellern eigene APIs und Treiberschnittstellen zu den Video- und Grafikfähigkeiten der 80x86-Prozessoren anbieten. Bei Microsoft läuteten die Alarmglocken. Dies umso mehr, als das IAL auch an NSP-Versionen für andere Betriebssystem-Plattformen arbeitete. Dass NSP ursprünglich als Ergänzung zu Windows 3.1 gedacht war, beruhigte die Strategen in Redmond keineswegs - zur bevorstehenden Markteinführung von Windows 95 wünschten sie keine nachträgliche Aufwertung des von ihnen bereits abgeschriebenen Produktes.
Anfang Juli und ein zweites Mal im August 1995 traf sich Bill Gates selbst mit Andrew Grove und bearbeitete ihn, NSP nicht auszuliefern und sich mit eigenen Software-Aktivitäten zurückzuhalten. Er drohte offen damit, die Intel-Plattform nicht mehr zu unterstützen, wenn der Chip-Hersteller die Entwicklung Windows-unabhängiger Schnittstellen nicht einstellte. Das Power-Play verfehlte seine Wirkung nicht. Hauptabnehmer der Intel-Chips sind die PC-Hersteller, und die wiederum sind von Microsoft abhängig, weil die Kunden Windows verlangen. Gates saß am längeren Hebel: Groves musste sich dem Druck beugen und gab klein bei.
Das Tempo, mit dem innovative Features auf den Markt kamen, bestimmte Microsoft. Selbst in Windows 98 hatte das Unternehmen noch nicht alle Funktionen umgesetzt, die Intel den Konsumenten bereits im Sommer 1995 offerieren wollte. Die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler nennen solch ein Vorgehen `strategisch'. Es ist darauf gerichtet, zum eigenen Vorteil die Wahlmöglichkeiten von Wettbewerbern und Kunden einzuschränken. Das Problem damit ist, dass strategisches Verhalten Innovationen zwar nicht gänzlich ausschließt. jedoch nur solche zulässt, die mit dem Geschäftsmodell des Monopolisten verträglich sind. Unter Ökonomen ist umstritten, wo die Grenze zwischen zulässigen und wettbewerbswidrigen Unternehmensstrategien zu ziehen ist.

Internet verschlafen

Schief ging das Vorgehen allerdings mit dem Internet. Dessen Potenzial zur Vernetzung von allem mit jedem hatten die cleveren Strategen in Redmond schlicht verschlafen. Zur selben Zeit, als Netscape das Internet popularisierte und dabei einen kometenhaften Aufstieg an der Börse erlebte, war Bill Gates nach langen Vorarbeiten gerade im Begriff, das Microsoft Network (MSN) als klassischen Online-Dienst aus der Taufe zu heben und neben AOL, CompuServe und Prodigy zu positionieren. Schlagartig musste der Microsoft-Chef das Ruder herumreißen. Und wieder suchte er Zuflucht bei der bewährten Strategie der Produktbündelung, um das MSN und den hastig entwickelten Browser Internet Explorer (IE) in den Markt zu drücken. Mit jeder Installation von Windows 95 tauchten per Grundeinstellung automatisch die Icons von MSN und IE auf den Bildschirmen der Kunden auf.
Das DoJ erkannte in der Kopplung genau jene Diskriminierung von Wettbewerbsprodukten wieder, die der schließlich doch noch in Kraft gesetzte `Consent Decree' hatte unterbinden sollen, und klagte auf Einhaltung des Vergleichs. Zum Beweis führte es den Fall von Compaq an: Als das Unternehmen den IE-Icon kurzerhand durch den des Netscape-Browsers ersetzt hatte, kündigte Microsoft dem Hersteller prompt die Windows95-Vertriebslizenz. Compaq sah sich gezwungen, die Änderungen rückgängig zu machen. Doch nach drei Jahren entschied ein Berufungsgericht, dass die Kopplung des IE mit dem Betriebssystem nicht gegen den Vergleich von 1995 verstoße, da es sich um eine Innovation handele.
Daraufhin reichten das Justizministerium und 19 Bundesstaaten im Mai 1998 die förmliche Antitrust-Klage ein. Den Kern des Verfahrens bildeten der Browser-Krieg, dem Konkurrent Netscape zum Opfer fiel, und die Methoden, mit denen Microsoft die Middleware Java des Erzrivalen Sun auf die Rolle schob. Die Netscape-Gründer James Clark und Marc Andreesen hatten den Navigator-Browser zur betriebssystemunabhängigen Plattform für eine Office Suite ausbauen wollen - für Microsoft ein trojanisches Pferd zur Einführung plattformunabhängiger Software-Anwendungen, die das Geschäftsmodell bedrohten. Direkte Verhandlungen mit dem Ziel, Netscape von diesen Plänen abzubringen, scheiterten. Daraufhin kämpften die Manager in Redmond mit harten Bandagen, verzögerten die Freigabe von Schnittstellenbeschreibungen an Netscape und untersagten einflussreichen Abnehmern wie Compaq und Dell in den Lizenzverträgen die Verlinkung mit dem Konkurrenz-Browser. Für Netscape kam das Kartellverfahren zu spät: im Oktober 1998 war das Unternehmen am Ende und wurde von AOL übernommen.

Hijacking Java

Auch im zweiten Teil des Verfahrens ging es darum, wie Redmond das Aufkommen einer plattformunabhängigen 'lingua franca' verhindern wollte. In den Neunzigern hatte Erzrivale Sun die Middleware-Architektur Java entwickelt. Damit müssten für Java geschriebene Anwendungen nicht mehr einzeln in eine bestimmte Betriebssystemumgebung portiert werden, sofern diese lediglich die Java Virtual Machine (JVM) als Schnittstelle zum darunter liegenden Betriebssystem bereitstellt. `Write once, run anywhere', lautete die eingängige und überzeugende Botschaft.
Im März 1996 lizenzierte Microsoft Java von Sun. Was nun ablief, beschrieben verblüffte Beobachter als `Dabeisein, Draufsatteln, Davonmachen'. In Redmond entstand eine JavaVariante, die auf die Plattformunabhängigkeit vertrauende Anwendungsentwickler in die Irre führte: Microsofts Java-Anwendungen, die unmittelbar auf den Windows-Code zugriffen, waren nicht mehr kompatibel zu Suns Java, das die Funktionsaufrufe über die offen gelegten Windows-APIs abwickeln musste.
Diese Inkompatibilität war `alles andere als eine unbeabsichtigte Nebenwirkung in dem Versuch, Java-Entwicklern zu leistungsfähigen Anwendungen zu verhelfen', stellte die Beweisaufnahme in dem Kartellverfahren fest, sondern `das beabsichtigte Resultat der Microsoft-Anstrengungen'. Ein Memo vom November 1996 aus dem beschlagnahmten internen Schriftwechsel hatte die Taktik entlarvt: `Wir sollten stillschweigend den Anteil von J++ erhöhen und darauf vertrauen, dass die Leute zunehmend unsere Klassen einsetzen, ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass sie ausschließlich Win32-Java-Anwendungen schreiben.' Die Auswirkungen sind bis heute spürbar. Im Internet-Banking etwa laufen die meisten Java-Applets nur unter Windows.
In der Beweisaufnahme des Kartellverfahrens hatte Richter Thomas Penfield Jackson vom Bundesbezirksgericht des Hauptstadtbezirks Columbia die Sachverhalte akribisch dokumentiert und mit seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000 die harte Konsequenz der Aufspaltung Microsofts in zwei unabhängige Gesellschaften für Betriebssysteme und Anwendungssoftware gezogen. Doch nach diesem erstinstanzlichen Urteil ging das juristische Hickhack erst richtig los.
Zwischenzeitlich hatte sich auch die politische Großwetterlage geändert. Statt des Demokraten Bill Clinton saß seit Anfang 2001 der Republikaner George W. Bush im Weißen Haus, dessen Wahlkampfagentur Century Strategies gleichzeitig im Dienste Redmonds stand. Und mit dem Anwalt Charles James wurde ein Microsoft-freundlicher Jurist, der vor seinem Amtsantritt bereits bekundet hatte, dass er die Gates-Firma als Einheit erhalten möchte, Chef des Kartellamtes. Der US Court of Appeals for the District of Columbia hob die Aufspaltungsentscheidung mit der Begründung auf, Jackson habe in Interviews eine voreingenommene Haltung erkennen lassen. Der Fall ging an die erste Instanz unter Richterin Colleen Kollar-Kotelly zurück. Die weitergehende Berufung Microsofts gegen die von Jackson in der Beweisaufnahme festgestellten Kartellrechtsverletzungen und illegalen Geschäftspraktiken wies das Berufungsgericht allerdings ab. Die direkte Anrufung des Supreme Courts, die auf eine neue Beweisaufnahme zielte, blieb er folglos.

Umstrittener Konsens

Auf Drängen der neuen Richterin setzen wieder Vergleichsverhandlungen ein, die Ende Oktober in einen neuen Vorschlag mündeten. Danach sollten Hersteller und Konsumenten ungehindert Middleware-Produkte wie Browser, E-Mail-Clients, Instant Messaging Software oder Medien-Player von Wettbewerbern auf der MS-Betriebssystemplattform installieren können. Zwangslizenzen für Computerhersteller und Software-Entwickler sollten dieses Recht gegebenenfalls durchsetzen, und zudem sah die Vereinbarung die Einrichtung einer dreiköpfigen Vollzeit-Kommission von Computer-Experten vor, die vor Ort einen uneingeschränkten Zugriff auf Unterlagen, Mitarbeiter und Systeme einschließlich des Quellcodes haben sollten.
Doch neun der 18 neben dem Justizministerium klagenden Bundesstaaten gingen diese Auflagen nicht weit genug; sie verlangten, dass Microsoft die Schnittstellen seiner Betriebssystem-Plattformen offen legt, eine entbündelte Version von Windows entwickelt, die Wettbewerber im Paket mit eigenen Anwendungsprogrammen vermarkten können, sowie die Freigabe des Internet Explorer. In den abschließenden Hearings Ende Juni gelang es der um einen Kompromiss bemühten Richterin jedoch nicht, Microsoft zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. So blieb der Vergleichsvorschlag nur eine Orientierungsmarke in dem strittigen Verfahren.
Die neun standhaft gebliebenen Klagevertreter konnten ein starkes Argument ins Feld führen: Kein Vergleich hat in der Vergangenheit Gates räuberische Manöver bremsen können. So läuft denn auch zurzeit mit der Bündelung des Media Players in Windows XP das perfekte Remake des Browser-Kriegs ab, bei dem diesmal Apples Quicktime und der Real-Player von Real Networks auf der Strecke zu bleiben drohen. `Microsoft hat sich in der Vergangenheit als unglaubwürdig erwiesen', hatte Richter Jackson seinerzeit die Entscheidung zur Zerschlagung des Konzerns in zwei Teile weitsichtig begründet. `Die Beweiswürdigung der Unterlagen legt die Vermutung nahe, dass Microsoft in der Überzeugung seiner Unschuld die Geschäfte weiter so betreibt wie in der Vergangenheit und auf anderen Märkten ebenso auftritt, wie es bei den PC-Betriebssystemen und im Browser-Markt agierte.'
Inzwischen haben Sun und die AOL-Time-Warner-Tochter Netscape, gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, Schadenersatzklagen in mehrstelliger Milliardenhöhe eingereicht. Obendrein sind noch mehr als hundert Sammelklagen zahlreicher durch angebliche überhöhte Monopolpreise geprellter Konsumenten anhängig. Auch sie wollte Microsoft durch einen Vergleich vom Tisch bringen. Tatsächlich waren im November letzten Jahres die Vertreter der Prozessgegner darauf eingegangen, dass Redmond statt zehn Dollar Schadenersatz pro Kläger 14,000 der ärmsten Schulen mit gebrauchten Computern aus Regierungsbeständen und hauseigener Software ausstattet. Aber auch hier stoppte ein wachsamer Richter im Januar die trickreiche Beilegung. Der Prozess, in dem ein Ökonom den Schaden durch die überhöhten Preise auf 13 Milliarden Dollar beziffert hatte, geht weiter. Weiteres Ungemach droht diesseits des Atlantiks. Die Europäische Kommission prüft derzeit, ob Redmond den Hebel des Desktop-Monopols nutzt, auch die Vorherrschaft über den Servermarkt zu erlangen. Ein zweites Verfahren hat die Bündelung des Media Players zum Gegenstand. Dass die EU-Kommission in Kartellfragen kein zahnloser Tiger ist, hat sie schon einmal unter Beweis gestellt, als sie Mitte letzten Jahres die 42-Milliarden-Dollar-Fusion von General Electric und Honeywell untersagte, die in den USA bereits genehmigt war. Die Bußgelder gegen Wettbewerbsverstöße können bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen; Microsoft muss mit 2,7 Milliarden Euro rechnen. Das Gates-Imperium scheint von allen Seiten umstellt. Selbst die republikanischen Gönner in Washington und eine milde Richterin können den Software-Tycoon nicht vor der Erkenntnis schützen: Vom Gipfel aus geht es nur noch bergab. (jk)

Richard Sietmann

c't 2002, Heft 22, Seite 96ff

Literatur
[1] Jo Bager, Die Redmond-Strategie, c't 14/1997, S. 88
[2] Richard Sietmann, Jürgen Kuri, Peter Siering, Es musste so kommen ..., c't 13/2000, S. 24
[3] Brent Schlender, Bill Gates & Paul Allen Talk, Fortune, 2. October 1995




Zweiter Teil: Krake Microsoft

Die digitale Welt in den Fangarmen Redmonds

Allen Kartelluntersuchungen zum Trotz: Bill Gates und seine Mitstreiter arbeiten mit ungebremstem Eifer an der Umsetzung der neuen Microsoft-Vision. Nach dem Schreibtisch will der Konzern sämtliche Lebensbereiche des vernetzten Menschen beherrschen. Doch nicht immer läuft alles nach Plan

Geht es nach den Plänen in Redmond, hat Microsoft keineswegs schon seinen Zenit erreicht, sondern wird die Software-Welt auch in den kommenden Jahren dominieren. Mit wieder gewonnener Chuzpe macht sich der Erfolg gewöhnte Konzern, der rund 50,000 Menschen in 74 Niederlassungen beschäftigt, daran, sein Spinnennetz über die digitale Welt zu werfen. Im Vorfeld der CeBIT 2002 überraschte Eröffnungsredner Steve Ballmer die Branche und die Presse allerdings mit neuen Tönen. Der sonst eher für seine Raubeinigkeit bekannte Geschäftsführer Microsofts griff zur Schalmei. Launische Praktiken werde es in seinem Hause nicht mehr geben, kündigte er an. Microsoft sei mit 27 Jahren erwachsen geworden und werde als Primus `Aufwind für eine Vielzahl anderer Unternehmen erzeugen'.
Doch auch nach dem propagierten Kurswechsel haben Bill Gates als Chef-Visionär und Ballmer, der Mann fürs Alltagsgeschäft, bei Microsoft höchst ambitionierte Pläne. Mit ihrer .NET-Initiative versucht die Firma, die mit den viel beschworenen Web-Services angekündigte zweite Revolution des Internet und des E-Business zu steuern und einen Großteil der Netztransaktionen zu beherrschen. Die Heimvernetzung will der Koloss vorantreiben und dabei `Tablet-PCs' als tragbaren Universal-Rechner vermarkten. Die Inhalte kommen per Breitband-Kabel ins Haus, an dem sich Microsoft in den USA bereits wichtige Anteile gesichert hat.
Idealerweise hat die Firma auch Software zum Steuern der Settop-Box auf Lager, die Filme, Musik und Dienste auf die Empfangsgeräte nicht nur im Wohnzimmer verteilt. Die rasant Nachwuchs zeugende Welt der digitalen Kleingeräte vom Handheld bis zum Smartphone soll genauso unter Microsoft-Betriebssystemen laufen wie das Geflecht der Informationsberge speichernden Server am anderen Ende des überall verfügbaren Evernet. Insgesamt gibt es kaum einen Umsatz versprechenden Bereich der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft, auf dem sich Microsoft nicht in Stellung gebracht oder bereits breit gemacht hat. Die Umsetzung der `Vision 2.0' ist in vollem Gange. Ursprünglich wurde die Maschinerie Microsofts vom Ziel angetrieben, jeden Schreibtisch in jedem Heim mit einem PC auszurüsten, auf dem natürlich ein Betriebssystem aus Redmond läuft. Diese Vorgabe ließ Gates und seine Mannschaft zwischen 1990 und 1994 allerdings den ersten Boom des World Wide Web und des kommerziellen Internet verschlafen. So tauchte in Gates' Roadmap `Der Weg nach vorn' von 1995 das Netz der Netze noch gar nicht auf. Doch schon Ende 1994 hatte Microsoft die Aufholjagd gestartet: Nach einer seiner `Denkwochen' unterrichtete der Boss seine Untergebenen, dass `wir ganz auf das Internet setzen'. Die Praktiken der Redmonder im Kampf der Web-Browser wiederum führten schlussendlich zum Start des neuen Kartellprozesses im Herbst 1998 (Siehe oben Teil eins). In diesen Jahren mutierten das Internet und der von Gates gepredigte 'Web-Lifestyle' zum Herz der neuen Microsoft-Strategie. Der PC ist darin zwar keineswegs out, aber er wird `von einer Vielzahl neuer Geräte ergänzt', wie Gates erklärt. Die Brücke zwischen all den Gadgets stelle das Netz her. Die aktualisierte Vision sei `ums Internet zentriert und darauf fokussiert, den Leuten die Kraft zu geben, alles, was sie wollen, zu jeder Zeit, an jedem Ort und auf jedem Gerät zu erledigen'.

Pralle Kriegskasse

Kein Unternehmen ist besser gerüstet, dies umzusetzen. Das `Powerhouse' steigerte im Geschäftsjahr 2002, das Ende Juni endete, seinen Umsatz trotz Branchenkrise um zwölf Prozent auf 28,4 Milliarden US-Dollar. Der Nettogewinn lag bei 7,8 Milliarden US-Dollar. Damit ist Microsoft nach wie vor das erfolgreichste Software-Unternehmen der Welt. Doch das reicht dem Giganten nicht mehr. Zum Software-Business kommen Umsätze mit Hardware (Xbox, Mäuse, Tastaturen, Boxen) und Services (.NET), die das Kerngeschäft ergänzen und weiter ankurbeln. Im Geschäftsjahr 2003 erwarten Analysten so ein Verkaufsvolumen von 32,7 Milliarden US-Dollar bei gesteigerten Erträgen von 11.7 Milliarden US-Dollar.
Die Kriegskasse Microsofts ist mit Rücklagen in Höhe von rund 39 Milliarden US-Dollar auch in Zeiten der nüchternen Betrachtung von Informationstechnologien bestens gefüllt. Sie steht für neue Eroberungen ohne Rücksicht auf Anfangsverluste bereit, denn monatlich kann das Zugpferd der Branche theoretisch rund eine Milliarde US-Dollar in bar dazulegen. Die sich rein im Finanziellen ausdrückende Wirtschaftsmacht Microsofts ist damit einzigartig.
[Note by menkaura: Mit Ausnahme der Bretton-Woods Organisationen IMF und Weltbank sowie der
WTO ]
1999 war der Konzern mit einer Börsenkapitalisierung von 407 Milliarden US-Dollar das teuerste Unternehmen aller Zeiten und so wertvoll wie IBM und Exxon zusammen. Seit dem damaligen Höhenflug der `New Economy' haben sich die Verhältnisse zwar etwas normalisiert, doch Microsoft führt die Tabelle seit Frühjahr 2002 wieder an. Bill Gates selbst stand im März zum achten Mal in Folge an der Spitze der Superreichen. Sein Vermögen schätzt das Blatt auf 52.8 Milliarden US-Dollar.
Für Superlative ist Microsoft auch in anderen Bereichen gut. 2001 hat der Konzern 4,2 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung ausgegeben - mehr als die Rivalen America Online, Oracle und Sun Microsystems zusammen. Allein zwischen 1994 und 1999 hat Microsoft 92 kleinere Finnen geschluckt und sich an zahlreichen strategisch interessanten Unternehmen wie dem TV-Kabelprovider Comcast beteiligt. Dazu kamen zahlreiche Joint Ventures und lockere Partnerschaften. Richtungweisende Übernahmen wie die des mittelständischen amerikanischen Anbieters Great Plains im Herbst 2000 sowie des dänischen Anbieters Navision im Mai ließen keinen Zweifel daran, dass der Riese den Software-Markt für kleine und mittlere Unternehmen aufmischen will. Vor allem im Hause SAP schrillten die Alarmglocken, da Microsoft das Stammgebiet der Walldorfer nun fest ins Visier genommen hat. Zuvor hatte auch die zunächst zehnprozentige Beteiligung am jungen britischen Handybauer Sendo im Sommer 2001 in den Fach- und Wirtschaftsmedien für Aufsehen gesorgt.

Das Monopol

Die Wirtschaftsmacht Microsofts hat dem Konzern in den vergangenen zehn Jahren in Zusammenhang mit dem von Gates zielstrebig verfolgten Wachstumskurs den Ruf des `bösen Imperiums' eingebracht. In der Open-Source-Szene, einer der Hauptgegenströmungen zum System Microsoft, wird Gates oftmals als `Borg' dargestellt, der die Weltherrschaft übernehmen will. Hauptgrund zur Sorge ist die von Ballmer und Gates geplante Ausweitung der Herrschaft über die Desktops auf neue Geschäftsfelder - durch die wettbewerbswidrige Ausnutzung der vorhandenen Monopolstellung im Windows-Stammbereich. Ob es um die Integration des Media Players in Windows XP geht oder um die enge Verknüpfung der Oberfläche des Systems mit NET-Techniken - immer wieder arbeiten Beobachter heraus, dass derlei Praktiken zur Ausdehnung des Herrschaftsbereichs mit Hilfe des Windows-Monopols dienen. Beispielhaft: Die Berichte über den Einstieg Microsofts ins Geschäft mit Software zum Customer Relationship Management (CRM). Darin wird zunächst auf das starke Wachstumspotenzial dieses Segments verwiesen - im Vergleich zum Markt für Desktop-Systeme und Office-Anwendungen. Dann erklären Microsoft-Sprecher, dass man es nur auf Teilbereiche des Marktes abgesehen habe und der Konkurrenz daher kaum schaden könne. Analysten dürfen gleichzeitig darüber spekulieren, dass sich Microsoft wohl doch das gesamte Segment nach und nach einverleiben wolle und dass dabei vermutlich sogar anfängliche Partner auf der Strecke bleiben würden. Der beschriebene Weg war beispielsweise im Browser-Krieg erfolgreich. Spätestens seit der Marginalisierung der Konkurrenz im Bereich der Web-Navigationsmittel klingeln nun bei Firmen die Alarmglocken, sobald Microsoft sein Gewicht in eine neue Arena verlagert. `Sie müssen sich Microsoft wie eine Bestie vorstellen, die alles verschlingt, was auf ihrem Weg liegt', spitzt Matt Rosoff vom Marktbeobachter Directions on Microsoft die Eroberungstaktiken des Konzerns zu. Bezeichnend, dass sein nie um einen Kommentar verlegenes Haus nichts anderes zu tun hat, als die Bewegungen der Redmonder für die Konkurrenz zu analysieren.
[Note by menkaura: aus einem Artikel vom 27jul2005:
(cf http://www.testticker.de/news/professional_computing/news20050727011.aspx)
Eine Studie der australischen Consultingfirma Cybersource ermittelt durch Marktuntersuchungen auf dem fünften Kontinent jährliche Mehrkosten in Höhe von 10 Milliarden australische Dollar (rund 6,3 Milliarden Euro) weltweit durch das Quasi-Monopol von Microsoft im Betriebssystem- und Officebereich.
Während der Endverkaufspreis eines typischen Officecomputers im Jahr 1994 zu 85% von der Hardware und zu 15% von der Softwareausstattung (Betriebssystem plus Office-Suite) bestimmt war, machten nach stark verschärftem Wettbewerb und deutlich gefallenen Hardwarepreisen diese im Jahr 2004 nur noch 35% des Verkaufspreises aus, während die Softwareausstattung - im Businessbereich typischerweise von Microsoft - nun 65% ausmacht.
Die Analysten fordern nun staatliche Eingriffe, um den Wettbewerb zum Nutzen von Wirtschaft und Verbraucher wieder herzustellen. (fe)]


Materialschlachten und Stellungskriege

Aufgrund seiner Geldreserven kann sich Microsoft Zeit lassen beim Eintritt in neue Märkte. Oft reicht eine Absichtserklärung der Konzernspitze aus, neue Geschäftsfelder im Blick zu haben, um Wettbewerber in Angst und Schrecken zu versetzen sowie potenzielle Kunden auf die zukünftigen Produkte einzuschwören. Vaporware - Dampfware - zieht daher so manchem Projekt aus dem Hause Microsoft voraus. `Seit der Firmengründung 1975 bis heute verläuft praktisch jede Produkteinführung von Microsoft nach dem gleichen Muster aus Versprechungen, Verzögerungen und Vertröstungen', meint ein US-Kolumnist. Wichtig sei nur, dass die Kunden das Versprechen glauben, die Taube auf dem Dach sei zum Greifen nah.
Hat der Gigant einmal einen Markt ausgeguckt, legt er Ausdauer an den Tag. Erhält die erste Version einer Software - wie üblich - schlechte Kritiken und bleibt unter den Verkaufserwartungen zurück, ist die nächste Generation etwas besser. So steigert Microsoft die Qualität eines Produkts langsam, aber sicher. Das kann dauern, führt aber häufig zum Erfolg und zumindest zum Einholen der Fertigungsmaßstäbe der Konkurrenz. Bestes Beispiel ist Windows, das nach 16 Jahren Entwicklungsarbeit mit der XP-Version 2001 einen gewissen Reifegrad erlangte. Als Überlebenskünstler entpuppte sich aber auch Microsofts Internet-Dienst MSN. Der Zugangsservice mit angeschlossenem Webportal siechte sechs Jahre vor sich hin. Heute ist er das zweitpopulärste Portal im Web, hinter Yahoo. Teil des Erfolgsgeheimnisses: Microsoft investierte Hunderte Millionen in US-Handelsketten. Im Austausch dafür rührten diese die Werbetrommel für MSN. Kein Wunder, dass häufig von `Abnutzungskrieg' die Rede ist, wenn Microsoft sich an die Eroberung neuer Märkte macht. Die Firma kann Strategien wie das Verschenken von Software zur Sicherung von Marktanteilen und fürs Setzen von Standards mit schier unbegrenzten finanziellen Reserven verfolgen. Die Redmonder warten ab, bis der Markt monopolisiert ist, um ihn dann zu den eigenen Bedingungen neu aufzurollen und die Profite zu maximieren. Dass es alles andere als ideal ist, keinen Wettbewerb im Software-Markt zu haben, und dass die Preise in diesem Fall schnell dahin sind, erfahren viele Geschäftskunden gerade auf die harte Tour: Mit der seit 1. August eingeführten Lizenzpolitik der 'Software Assurance' sollen sie die Standardprodukte des Giganten per Abo beziehen - und zahlen damit fast ausschließlich drauf. Lautet die Alternative doch nur noch, immer wieder teure Vollversionen zu bestellen.

Tödliche Umarmungen

Eng verknüpft mit den Geschäftskulturen `Ausdauer' und `Ankündigungspolitik' ist die berüchtigte Methode des `Embrace and Extend'. Microsoft bedient sich ihrer gerne, um offene Standards, die den Wettbewerb sichern und Märkte zugänglich halten sollen, durch Eigenentwicklungen proprietär abzudichten und damit Barrieren für Konkurrenten aufzubauen. Aus der `Umarmung' offener Standards wird dabei eine erstickende Umklammerung. Beispiele reichen von fundamentalen Standards zur Darstellung von Text auf dem Bildschirm über Regeln zum Formatieren von Webseiten und das Abspielen von Videos im Media Player bis hin zu Schlüsselprotokollen für den Datenaustausch, den Zugang zu SQL-Datenbanken, dem E-Mail-Server Exchange oder für die Netzwerksicherheit im Fall Kerberos. Liest man die Anschuldigungen der Konkurrenz, entsteht der Eindruck, dass alles, was Microsoft anfasst, sich in Gold für die Firma verwandelt; umgekehrt wächst für Wettbewerber auf diesen Geschäftsfeldern anschließend kein Gras mehr. Die Dominanz des Redmonder Imperiums wird mit jeder Markteroberung und der sich daraus ableitenden positiven Rückkopplungskette größer.
Die Kernthese der Microsoft-Widersacher lautet: Indem der Konzern seinen Hebel Windows ansetzt, kann er angrenzende Soft- und inzwischen auch Hardware-Gebiete angehen und mit der Zeit beherrschen. Dabei kommen die von Ökonomen beschriebenen Netzwerk-Effekte ins Spiel, die beim Etablieren neuer Standards helfen. Die Situation kann sich innovationshemmend auswirken, wenn ein derartiger Standard - der auch nicht unbedingt der beste sein muss - von einer einzigen Firma besetzt wird und den gesamten Hightech-Markt `einsperrt'. Inwieweit diese `Hebel-These' zutrifft, zeigt ein Überblick über die von Microsoft besetzten und in Angriff genommenen Märkte. Diese spiegeln sich wider in der Einteilung der Firma in die sieben Organisationsgruppen Windows Client, Wissensarbeiter, Server & Tools, Business Solutions, CE/Mobility, MSN und Home Entertainment.

Windows - die Basis des Monopols

Windows ist das Fundament der Marktmacht Microsofts, das Kronjuwel im Portfolio. Die Version 1.0 erschien 1985 mit gut einjähriger Verspätung auf dem Markt. Seitdem füllt das Programm mit seinen etwa alle zweieinhalb Jahre erscheinenden Updates die Firmenkassen. Analysten gehen bei Windows von einer Marktabdeckung zwischen 95 und 97 Prozent aus. Microsoft hält damit ein Monopol, dessen dominante Stellung sich über die Jahre hinweg als stabil erwiesen hat. Es stützt sich unter anderem auf ein Heer von rund sieben Millionen Programmierern. Die haben eine Phalanx von Anwendungssoftware für Windows entwickelt, die das Betriebssystem für Verbraucher attraktiv macht. Über 70,000 Programme laufen unter Microsoft Windows - das ist vermutlich mehr, als selbst die vereinte Open-Source-Gemeinde bislang an mehr oder weniger freier Software erstellt hat. Der virtuelle Netzwerk-Kreislauf ist damit in vollem Gange, da mehr Applikationen mehr Nutzer und die wiederum mehr Programmierer anlocken.
Mit dem jüngsten Meilenstein in der Windows-Geschichte, dem im Spätherbst 2001 demonstrativ in New York vorgestellten Windows XP, will Microsoft den PC möglichst nahtlos mit E-Commerce und anderen vernetzten Geräten verknüpfen. XP (für eXPerience) ist die Basis der beschriebenen `Vision Version 2.0' und verfügt über Anschlussmöglichkeiten für fast alle digitalen Geräte im Haushalt. Zudem hat sich Microsoft mit dem neuen Flaggschiff auf und hinter dem Bildschirm als Integrationsweltmeister erwiesen: Schon auf dem Desktop weisen bunte Icons den Weg ins Internet mit MSN. Feste Bestandteile des Systems sind nicht nur der Internet Explorer, sondern auch der Instant Messenger und der Media Player. Alternativprodukte haben es da schwer, auch wenn Microsoft ihnen im Zuge des Kartellstreits eine Existenznische innerhalb von Windows eingeräumt hat. XP soll zudem im Rahmen der .NET-Strategie als zentrale Informations-Drehscheibe für Web-Services dienen.
Immer mehr Stimmen fordern, dass das Erfolgs-Unternehmen den Quellcode für Windows generell offen legen und damit auch der Konkurrenz Einblick in die Innereien geben soll. Die von Microsoft gestartete 'Shared Source'-Initiative geht ihnen nicht weit genug, da sie bislang nur auserwählten Partnern oder Regierungsabteilungen offen steht und, anders als in der Open-Source-Welt, jegliche Veränderungen des Codes ausschließt. Strategische Verlautbarungen aus dem Hause Microsoft zur Zukunft von Windows lassen zudem keinen Zweifel daran, dass sich die Firma ihres Wettbewerbsvorteils nicht berauben lassen will. Die für die Mitte des Jahrzehnts angekündigte radikal neue Windows-Generation, die unter dem Namen Longhorn entwickelt wird, soll laut Fortune zum Alleskönner avancieren. Dem Magazin zufolge möchte ihr Gates so viele Funktionen einpflanzen, dass AOL Time Warner, Oracle und Sun sich arbeitslos melden dürften. Der PC könnte mit der Software zum großen Über-Ich des Nutzers werden, das alles über ihn weiß und die Sekretärin endgültig ersetzt. Details sind allerdings rar. Bekannt wurde bisher nur, dass Teil von Longhorn das umstrittene Projekt Palladium werden soll, das sich eng an die Trusted Computing Alliance (TCPA) anlehnt (technische Details auf S. 204 in dieser c't).

Office - die heilige Cash Cow

Mit dem von Microsoft als `Produktivitäts-Software' vermarkteten Paket Office, das unter anderem Word, Powerpoint und Excel enthält, kommt die Firma ähnlich wie bei Windows auf einen Marktanteil von über 90 Prozent. Das Monopol-Produkt ist die eigentliche Cash Cow Microsofts - mehr als ein Drittel der Gesamtumsätze gehen auf sein Konto. Viele Büros votieren gar nur aus dem Grund für Windows, weil sie die Programmierfunktionen von Office bei der täglichen Büroarbeit am PC nicht missen wollen. Vertreter der Linux-Fraktion plädieren daher vehement dafür, Microsoft zur Gewährung von Lizenzen zu verpflichten, mit denen sich Office auf andere Betriebssysteme portieren lässt. Aber auch Konkurrenzprodukte wie Suns Open-Source-Produkt Star-Office entwickeln sich langsam zu ernst zu nehmenden Alternativen.
.NET soll die eierlegende Wollmilchsau des neuen Microsoft-Imperiums werden. Als Bill Gates die zunächst unter dem schwerfälligen Titel `Next Generation Windows Services' vorbereitete Netz-Strategie im Sommer 2000 begleitet von hoher medialer Präsenz erstmals vorstellte, handelte es sich - wie so häufig - zunächst um heiße Luft. Grund zur Aufregung gab es schon damals, etwa über die `Hybris' der Redmonder, mit der Namenswahl ein `öffentliches Label' in Anspruch zu nehmen und es als eigene Markenidentität zu privatisieren. Steht die Endung .net doch eigentlich für die entsprechende Domain im Internet-Namensraum. Seitdem kristallisiert sich nur langsam heraus, was .NET einmal umfassen könnte. Das ursprüngliche Konzept hat bei Microsoft mehrfach zu Frustrationen und zum Umwerfen zentraler Strategien geführt, die mit dem Abgang mehrerer Manager endeten. Einzig greifbar ist bis jetzt eine Entwicklungsumgebung mit zahlreichen Werkzeugen für Programmierer, die unter dem Namen Visual Studio .Net seit Februar 2002 teuer verkauft wird. Das größtenteils auf offenen Standards aufbauende Programmiermodell selbst orientiert sich stark an der Software-Umgebung Java des Konkurrenten Sun, deren Vorteil es ist, mit Hilfe einer `virtuellen Maschine' ohne große Anpassungen auf zahlreichen unterschiedlichen Geräten und unter verschiedenen Betriebssystemen zu laufen.

Xbox, Tablet-PCs und das digitale Heim

Mit der Xbox und der darum herum geknüpften eHome-Initiative legt sich Microsoft vor allem mit Sony an. Für Bau und Vermarktung des `trojanischen Pferds', mit dem Microsoft in die Wohnzimmer einziehen will, ließ der Konzern über zwei Milliarden US-Dollar springen. Gewinne kann Microsoft mit dem schwarzen Daddelkasten frühestens in einem Jahr einfahren, schätzen die Marktauguren. Doch zumindest hat Gates damit einen Fuß im rund 20 Milliarden US-Dollar schweren Markt für elektronische Games. Weiter einzudringen in das Geschäft mit der Verbraucherelektronik versucht Microsoft über das Tablet-PC-Konzept sowie Windows CE for Smart Displays (vormals 'Mira'), mit dem von Weihnachten 2002 an auch die Mama am Herd im Internet-Kochbuch nachschlagen soll. Doch bis Microsoft zum Sony des 21. Jahrhunderts aufsteigt, muss Gates noch mehr Gespür fürs Geschäft mit den `Couch Potatoes' entwickeln. Windows XP und die Xbox weisen zwar den Weg. Doch noch fehlt es Microsoft an den Beziehungen zu Handelspartnern im hart umkämpften Markt für Consumer Electronics. Auch den Mobilmarkt, auf dem Firmen wie Nokia oder Motorola bislang die Gewinne einstreichen, hat Microsoft verstärkt ins Visier genommen. Dort werden Handys auf der einen und Handhelds auf der anderen Seite softwaremäßig immer komplexer und verschmelzen zur Smartphone-Kategorie. Gates will die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, die kleinen Geräte mit seinen Betriebssystemen auszurüsten. Für Klein-Computer hat er das System Pocket PC parat, den Handy-Markt will er mit der ursprünglich als `Stinger' benannten Windows-CE-Variante Smartphone 2002 aufrollen. Überraschend konnte der Redmonder Riese auf der 3GSM Word in Cannes im Februar bereits Kooperationen mit zahlreichen Netzbetreibern bekannt geben, um ein 'drahtloses Ökosystem' aufzubauen. Das drahtlose Netz bietet den Redmondern trotzdem nur bedingt Halt. Während sich Windows CE im Markt für PDAs den Marktforschern von IDC zufolge einen Marktanteil von rund 50 Prozent erkämpft hat und daher auch Pocket PC gute Chancen eingeräumt werden, setzen Handy-Hersteller wie Nokia, Sony Ericsson, Matsushita oder Motorola auf das Betriebssystem Symbian. Darüber hinaus hat Nokia die Open Mobile Architecture Initiative ins Leben gerufen, um die Phalanx gegen Microsoft und seine proprietären Standards in Stellung zu bringen.
In den Unternehmensmärkten für Server-Software und Datenbanklösungen hat sich Microsoft seit Mitte der 90er erfolgreich breit gemacht. Während der Serverbereich traditionell von Unix-Betriebssystemen und Software von Firmen wie Novell beherrscht wurde sowie gerade im Internet Linux im Verbund mit Apache eine weite Verbreitung fand, sind die Redmonder nach dem langjährigen Spiel mit harten Bandagen mit Windows 2000 durchgestartet. Das Microsoft-System hielt im Jahr 2000 laut IDC einen Marktanteil in Höhe von 47 Prozent, 38 Prozent waren es im Jahr davor. Novell ist dagegen fast schon von der Bildfläche verschwunden. Ständig ausgebaut hat Microsoft auch seine Stellung bei Datenbanksoftware - auf Kosten von Konkurrenten wie IBM oder Oracle. Die neue CRM-Lösung Microsofts soll im Herbst erscheinen. Ins Auge gefasst hat Microsoft ferner den milliardenschweren Software-Markt für Datacenter, Speichernetzwerke und -management sowie Backups, in dem es verstärkt um intelligente Lösungen zum Unterbringen von Datenbergen auf leistungsstarken Computern geht. Dort könnte die starke Stellung von Firmen wie EMC, IBM und Sun durch den Markteintritt Microsofts bröckeln, wenn der Gigant seine anfangs nicht auf Profite achtende Preisunterbietungs-Strategie durchzieht.

(K)ein Hauch von Glasnost

Die Gesamtstrategie Microsofts, eine Unzahl von Märkten auf einmal auf den Schwingen von Windows zu erobern und dabei große Wettbewerber unter dem Einsatz der Ellbogen schachmatt zu setzen, wirkt erdrückend. Dass sich die Microsoft-Manager dabei `Mafiosi'-Methoden bedienen, wie zumindest Richter Thomas Penfield Jackson befand, ist nicht gerade beruhigend.
[Note by menkaura: cf USAtoday 14mar2001
U.S. District Judge Thomas Penfield Jackson said his involvement with the company's monopoly trial helped him to form ``unfavorable judgments as to the lawfulness of Microsoft's business practices.'' ....
Jackson wrote that Microsoft has ``an institutional disdain for both the truth and for rules of law,'' and that its executives are ``not averse to offering specious testimony to support spurious defenses to claims of its wrongdoing.''
He also said he retains the beliefs about Microsoft and its executives that were quoted in several newspaper articles and books about the trial. In those, Jackson compared Microsoft chairman Bill Gates to Napoleon and compared the company to a drug-dealing street gang. ]

`Dieses Unternehmen hat die Gesetze wiederholt verletzt', sagt auch der Justizminister von Massachusetts, Tom Reilly. `Das liegt in seiner Natur.' Gates' Mannen sind sich dagegen keiner Schuld bewusst. Firmenchef Ballmer gibt die seit Jahren stereotyp wiederholte Parole aus: `Wir glauben daran, dass uns das Gesetz dazu ermächtigt und ermutigt, weiterhin Innovationen voranzutreiben.' Und Bill Gates schwärmt von `so viel Wettbewerb in jedem einzelnen Feld' der Hightech-Industrie, wie er ihn in über 25 Jahren in der Branche nie zuvor gesehen hatte. Microsoft war allerdings bislang nur in seltenen Glanzstunden eine Innovationsschmiede und ist mehr für das clevere Zusammenfügen und Vermarkten von Dingen bekannt, die andere erfunden haben. Doch um die Midas-Erfolge Microsofts ranken sich auch Mythen. Denn ob beim (Netz-)Content, Digital-TV oder in anderen Medienbereichen - die bereits vor Jahren als 'Media Company' gehandelte Firma konnte hier trotz allen Geldes nicht so recht Fuß fassen. Ähnlich dürfte es Gates in manch anderem der frisch angesteuerten Märkte ergehen. Einen einzelnen Konkurrenten, der dem Imperium aus Redmond das Wasser reichen könnte, gibt es zwar nach wie vor nicht. Doch die Vielzahl der Allianzen, die Firmen wie Sun, Nokia, Sony oder AOL Time Warner auf unterschiedlichen Ebenen vorantreiben, dürfte Microsoft das Spiel erschweren. Zunehmend ökonomische Bedeutung erlangt zudern die verteilt auf alle Kontinente gegen Microsoft antretende Open-Source-Bewegung, deren wichtigstes Produkt Linux den Redmondern deutlich zu schaffen macht und ihr Kerngeschäft bedroht. Das Imperium wehrt sich zwar mit seiner 600-köpfigen Rechtsabteilung sowie gut 250,000 Freiwilligen, die über das Netzwerk `Freedom to Innovate' auf Zuruf ihre Lokalabgeordneten angehen, gegen die Code-Rebellen und politische Bedrohungen. Für die Schlacht um das neue Betriebssystem des Bundestags setzte der Konzern gar auf die Dienste der durch die Scharping-Affäre vollends ins Zwielicht geratenen Agentur Hunzinger. Trotzdem machen sich immer mehr Regierungen weltweit für das kostengünstigere Linux stark. Ob jemals ein Hauch von Glasnost durch den weitläufigen Campus im tiefen Westen der USA ziehen wird und Microsoft seine nicht von der Hand zu weisende Definitionskraft für die gesamte Hightech-Branche - wie von Ballmer angekündigt - `verantwortungsvoll' einsetzt? Solange die Firma weiterhin in vielen Fällen schlicht ihre ureigenen Interessen gegen die der Öffentlichkeit durchzusetzen versucht, sind Richter und Kartellwächter auch weiterhin gut beraten, den Bestrebungen an der Microsoft-Spitze Grenzen zu setzen. Denn dreiste Ideen gibt es in Redmond zuhauf. Wie etwa im Winter 2001, als man den Streit über die Sammelklage tausender Verbraucher gegen überhöhte Windows-Preise just mit einer Spende eigener Software an Schulen - verpackt in ein paar Trainingsstunden und aufgemöbelte Rechner - beilegen wollte.
(jk)

Stefan Krempl

c't 2002, Heft 22, Seite 102ff


Dritter Teil: Der geplante Untergang der Freiheit
Unter dem deckmantel der erhöhung der sicherheit (Digital Rights Management (DRM) -- für den nutzer?) plant Microsoft einen letzen, tödlichen streich gegen die freiheit des internet und der computernden menschheit insgesamt:
Die Trusted Computing Platform Alliance (TCPA) unter der führung Microsofts will erreichen, dass jede hardware UND software eine(n) lizenzierende(n) ID(-chip) erhählt. Dies bedeutet in wahrheit das ausschalten der open-source-community durch die hohen kosten für die zertifizierung (100tausende Euro je anwendung, nicht etwa für ein gesamtpaket wie Linux !!) Microsoft entwickelt bereits den TCPA-manager `Palladium'
Siehe auch hierzu den einschlägigen artikel in c't 2002, Heft 22

Dass nicht nur MicroSoft am grabe der freiheit schaufelt, sondern auch die EU-kommission verdeutlicht die folgende notiz aus dem online-magazin
Testticker IT-Express News     http://www.testticker.de     vom 08.04.2005
Wird freier Mediaplayer zum Opfer der EU-Softwarepatente?
Die EU kaempft auf der einen Seite um einen Markt und prozessiert gegen Microsoft wegen dessen kostenlosen Mediaplayers, auf der anderen Seite scheint sie genau das Gegenteil zu bewirken: Die Entwickler des freien Players VideoLAN sehen durch EU-Software-Patente ihr Projekt vor dem Aus.
Die Entwickler des freien Mediaplayers sind besorgt: Sie glauben, dass sie wegen des "Minenfelds der Multimedia- Patente" aufgeben muessen. Denn "saemtliche wichtigen Technologien in dem Bereich werden durch - zumeist triviale - Patente geschuetzt", heisst es in einer Stellungnahme der Programmierer.
Weil es mit dem bisherigen Urheberrecht moeglich ist, mit Open-Source-Projekten wie VideoLAN die Videocodecs anderer nachzubilden (nicht zu kopieren), aber durch das neue Patentverfahren selbst Mediaformate wie Windows Media oder Apples Musikformat nur mit teurer Lizenz abgespielt werden duerfen, sehen die Entwickler schwarz.
Nur offene Standards wie Ogg Vorbis koennten so noch dargestellt werden, ohne dabei arm zu werden. In ihrer Stellungnahme fuehren die Entwickler auch andere Open Source- Projekte im Multimedia-Bereich (alle Verlinkungen finden Sie auf unserer Website) als Beispiel fuer die bedrohte Spezies an. Zahlreiche dieser Dienste wettern auf ihren Websites mit den Worten "The end draws near" gegen die EU-Kommission.
Die VideoLAN-Programmierer rufen die Nutzer ihres Programms auf, den Widerstand gegen die neue Regelung zu verstaerken. Die Europaeische Kommission versuche entgegen aller demokratischen Regeln die Direktive durchzukaempfen, egal, wie das EU-Parlament und die beteiligten Laender agieren. Petitionen zu unterschreiben reiche nicht aus.

In derselben Ausgabe:
Der Stanford-Professor Lawrence Lessig warnte auf der aktuellen Open Source Business Conference in San Francisco vor einem juristischen Krieg Microsofts gegen OpenSource-Produkte.
Der Jura-Professor nannte Microsoft öffentlich eine Gefahr für andere Unternehmen und die Wirtschaft als Ganzes. Eine weitere Gefahr für Innovation und Wachstum geht Lessig zufolge von den Copyright-Verwertern aus, die derzeit einen juristischen Krieg gegen P2P und andere innovative Technologien führen.
Weniger bedrohlich, aber dennoch ein Problem sind auch Telekomfirmen, die ihre Kunden von Drittanbieter-Diensten wie VoIP abschirmen wollen. Lessig rief Organisationen und Individuen dazu auf, sich am Kampf gegen diese Bedrohungen zu beteiligen


Für die alternativen zu dieser auffassung von wirtschaften siehe e.g.
http://www.gnu.org/gnu/manifesto.de.html
http://www.gnu.org/philosophy/philosophy.html




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