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Wirtschaftspolitik im Detail
Der Konsument beraubt sich selbst der Freiheit
Der Fall Microsoft
USAtoday 14mar2001:
U.S. District Judge Thomas Penfield Jackson said his involvement with the
company's monopoly trial helped him to form
``unfavorable judgments as to the lawfulness of Microsoft's business
practices.'' ....
Jackson wrote that Microsoft has ``an institutional disdain for both the truth
and for rules of law,'' and that its executives are
``not averse to offering specious testimony to support spurious defenses
to claims of its wrongdoing.''
He also said he retains the beliefs about Microsoft and its executives that
were quoted in several newspaper articles and books about the trial.
In those, Jackson compared Microsoft chairman Bill Gates to Napoleon and
compared the company to a drug-dealing street gang.
Die Geschichte eines Aufstieges
Erster Teil: Das Microsoft-Monopol
Aufkaufen, abkupfern, ausschalten: vom Aufstieg einer Software-Firma
Prozesse wegen wettbewerbswidriger Praktiken säumten
den Aufstieg der Microsoft-Ware zum Desktop-Monopol.
Auch der vorläufige Abschluss des Kartellverfahrens
bedeutet noch keinen Schlussstrich unter die unendliche
Geschichte von Markt und Macht
Die Geschichte der Software-Schmiede Microsoft ist so eng mit
dem PC verknüpft, dass vielen Usern die innige Verbindung von
'Windows' und 'PC' als naturgegeben erscheint - kaum erstaunlich bei heute
mehr als 90 Prozent Marktanteil des 1975 gegründeten Unternehmens
bei den Desktop-Betriebssystemen. Daran wird auch das
- möglicherweise erst
vorläufige - Ende des langjährigen Kartellverfahrens gegen Microsoft,
das am 19. Oktober seinen vierjährigen Geburtstag feiert, nichts
ändern - bei allen Auflagen, mit denen Microsoft konfrontiert wird,
ändert sich an der gegenwärtigen Situation auf dem Markt für
Desktop- und Server-Betriebssysteme wenig.
Doch als Mitte der siebziger Jahre die ersten Kleincomputer
mit den Mikroprozessoren aus dem Hause Intel und Motorola
auf den Markt kamen, waren andere Firmen weitaus erfolgreicher.
Apple beispielsweise, zwei Jahre später als Microsoft
gestartet, brachte es 1984 bereits auf Erlöse von 1,5 Milliarden
Dollar, während Microsoft zu dieser Zeit gerade mal 98
Millionen Dollar Umsatz machte. Dass sich das Blatt so wenden konnte,
verdankt Microsoft einem Glücksfall.
IBM benötigte 1980 für den verspätet erfolgten Markteintritt
in das PC-Geschäft rasch ein Betriebssystem und war beim
CP/M-Hersteller Digital Research zunächst abgeblitzt. Auf
der Suche nach Alternativen kamen die Unterhändler mit
Gates, Allen und Ballmer ins Geschäft, die aber das Produkt,
das sie verkaufen wollten, noch nicht einmal besaßen und pokerten.
Sie wussten, dass das kleine Unternehmen Seattle Computer Products
des Ingenieurs Tim Patterson Q-DOS besaß, einen CP/M-Klon, der
unter Insidern als `quick, and dirty operating system' bekannt
war. Erst zwei Tage, nachdem Gates und seine Kompagnons
den 186,000-Dollar-Vertrag mit IBM abgeschlossen hatten, sicherten
sie sich für 50,000 Dollar die Rechte an Q-DOS,
das sie nach einigen Veränderungen in 'Microsoft Disk Operating System'
(MS-DOS) umbenannten. Als IBM später herausfand, dass Gates ihnen
einen CP/M-Klon verkauft hatte, waren sie so verschreckt,
dass sie Digital Research 800,000 US-Dollar für das Versprechen
zahlten, sie nicht zu verklagen, berichtet Wendy Goldmann-Rohm in ihrem
Buch 'Die Microsoft-Akte'.
Wie alles anfing
Begonnen hatte alles mit einem öffentlichen Gut. Mitte
der sechziger Jahre hatten John Kemeny und Thomas Kurtz am
Dartmouth College (New Hampshire) zur Einführung in
das Programmieren den 'Beginner's All-purpose Symbolic Instruction Code'
(BASIC) entwickelt. Bill Gates und sein Schulfreund Paul Allen
entdeckten 1974 in der Zeitschrift 'Popular Electronics' den
Mikrocomputer Altair 8080, der nur in Maschinensprache programmiert
werden konnte. Sie adaptierten BASIC für den Altair und boten
den Interpreter dem Hersteller MITS an. Der legte ihre Software
zunächst dem Intel-8080-Rechner bei, doch als der Geschäftspartner
angesichts der vielen Raubkopien schon bald
darauf verzichtete und sich auf den Verkauf der Hardware
beschränkte, blieben prompt die Lizenzeinnahmen aus. Gates und
Allen schalteten einen Schlichter ein. Dessen Schiedsspruch ließ
monatelang, auf sich warten und ging schließlich zu Gunsten von
Microsoft aus, doch zwischenzeitlich war das letzte Geld
für die Anwaltskosten draufgegangen; zeitweilig stand das
junge Unternehmen kurz vor dem Bankrott.
Im Herbst 1981 kam der erste PC von Big Blue mit der Microsoft-Software
zum Preis von knapp 3000 Dollar auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt war
IBM keineswegs auf Microsoft festgelegt, sondern doch noch
mit Digital Research ins Geschäft gekommen und lieferte
den PC wahlweise mit MS-DOS oder CPIM aus. Allein nach
Qualitätskriterien hätte das Rennen zu Gunsten von CPIM ausgehen
müssen. Intel beispielsweise hatte das Microsoft-Betriebssystem
intern mit vernichtenden Ergebnissen evaluiert.
`Diese Leute sind Spinner', urteilte der zuständige Mann bei
dem Chiphersteller, John Wharton über die Software-Truppe
in Seattle. 'Sie machen nichts wirklich Neues und sie haben
keine Ahnung von dem, was sie tun. Ihre Ansprüche sind
ziemlich niedrig, und es ist nicht einmal sicher, ob sie selbst
die eingelöst haben'. Aber Gates und Allen kannten die Szene
besser und setzten nun alles daran, DOS zum Durchbruch zu verhelfen,
indem sie Hobby-Programmierer und andere Software-Firmen
ermunterten, Anwendungen für ihr Betriebssystem zu schreiben.
IBM hatte zwecks schneller Marktdurchdringung eine offene
Lizenzpolitik betrieben, die auch die rasante Verbreitung von
Klonen der `IBM-kompatiblen' PC-Architektur förderte. Dies
sicherte Microsoft wiederum die größere Hardware-Plattform;
MS-DOS dominierte schnell den PC-Markt.
Diese Position wurde erst mit dem Aufkommen der
Graphical User Interfaces gefährdet. Dass grafische
Benutzeroberflächen mit Symbolen und Mausklicks den im Umgang
mit Kommandozeilen und Tastatureingaben weniger geübten Usern
das Leben wesentlich erleichtern, hatten bereits die
Entwickler von Xerox am Palo Alto Research Center propagiert.
Konkurrent Apple brachte die neue Technik 1983 als Erster auf
den Markt und landete damit einen riesigen Erfolg. Bill
Gates bemühte sich, das Macintosh-Betriebssystem zu lizenzieren,
erhielt aber von Apple eine Abfuhr. Deshalb zog Microsoft 1985
mit einem grafischen Betriebssystemaufsatz zu DOS nach, doch gegen Mac OS
kam Windows nicht an; erst 1990 zeichnete sich mit der
Version Windows 3.0 der Umschwung ab.
Der Icon-Krieg
Apple hatte schon 1988 Microsoft vorgeworfen, mit der
Gestaltung der Fenster und Icons das 'Look and Feel' des
Macintosh abgekupfert zu haben. Der langjährige Urheberrechtsstreit
endete letztinstanzlich 1995 mit einer Niederlage
von Apple. Im selben Jahr erschien Windows 95, und wieder
sahen sich die Apfel-Designer um ihre schöpferischen Leistungen
erleichtert. Erneut zog Apple, als Unternehmen inzwischen schwer
angeschlagen, vor Gericht. Erst Steve Jobs selbst,
der 1985 aus der Firma gedrängt worden war und, 1997
auf den Chefsessel zurückgekehrt, ein glänzendes Comeback hinlegte,
durchschlug den Knoten. Er verglich sich mit Gates, den er
- beide sind Jahrgang 1955 - seit den sechziger
Jahren kannte und und mit dem er eine Zeit lang sogar befreundet
gewesen war. Microsoft stieg mit 150 Millionen Dollar
gegen stimmrechtslose Aktien bei dem strauchelnden Konkurrenten
ein und rettete ihn womöglich vor dem drohenden Konkurs.
Im Gegenzug, ließ dieser gegen eine Abfindung in unbekannter
Höhe die Klage fallen, MS habe mit dem Betriebssystem Windows
seine Schutzrechte verletzt. In einer Lizenzvereinbarung räumten
sie sich gegenseitig für fünf Jahre die volle Nutzung der Patente
des anderen ein.
Anders als das Markenzeichen `Windows` suggeriert, hatte Microsoft
auch die heute selbstverständliche Fenstertechnik nicht selbst
entwickelt. Sie war lange zuvor auf Unix-Systemen eingeführt
(X Window) und Apple verwendete sie auf dem legendären Macintosh,
ehe Microsoft sie einsetzte. Den Coup landete Gates jedoch, als
es ihm gelang, 'Windows' als Trademark zu reklamieren. Das
US Patent and Trademark Office, das die Eintragung als geschützte
Handelsbezeichnung zunächst verweigert hatte, musste sich
im Widerspruchsverfahren den Microsoft-Anwälten
beugen. Der umgangssprachliche Begriff, der lediglich neutral
den Stand der Technik beschrieb, war in der Kombination
`MS-Windows' plötzlich ein proprietäres Markenzeichen geworden,
und Microsoft die `Windows-Company', die ihr Terrain seither
weiträumig verteidigt: Als unlängst der Startup Lindows.com mit
dem Linux-basierten Betriebssystem `LindowsOS' auf den
Desktop-Markt kam, wollte Redmond der kleinen Firma per einstweiliger
Verfügung die Verwendung des Namens `Lindows' untersagen
lassen. Das lehnte das Gericht ab; jetzt wird der Streit von damals
im Hauptverfahren möglicherweise erneut ausgetragen.
FUD
Gerüchte, dass Microsoft zur Festigung seiner Marktposition
auch vor unlauteren FUD-Taktiken nicht zurückschreckte, nämlich
der Kundenbindung durch das gezielte Streuen von
`Fear, Uncertainty and Doubt' über Konkurrenzprodukte, gab es
immer wieder. Der interne Schriftwechsel, den das Unternehmen
im Kartellverfahren offen legen musste, dokumentierte schließlich
einen besonders krassen Fall: Mit Kenntnis der
Unternehmensspitze hatten Programmierer im Herbst 1991 einige
Vorabversionen von Windows 3.1 mit einer vorgetäuschten
Fehlermeldung ausgestattet, die jedes Mal auf dem Bildschirm erschien,
wenn man den Betriebssystemaufsatz über das
von dem alten Konkurrenten Digital Research entwickelte DR-DOS
an Stelle des hauseigenen
MS-DOS installierte. Damals musste Microsoft befürchten,
dass IBM - immer noch der wichtigste Kunde - auf das
leistungsstärkere DR-DOS umschwenken würde. Obwohl die
Fehleranzeige nur kurzzeitig zu sehen war, erreichte sie den
Zweck, das Vertrauen in DR-DOS nachhaltig zu erschüttern,
weil sie den Eindruck einer schwer wiegenden Inkompatibilität
hervorrief.
Netzwerkhersteller Novell, der DR-DOS von Digital Research
übernommen hatte, war aber auf die Zusammenarbeit mit Microsoft
angewiesen und wollte oder konnte dagegen nicht vorgehen. Doch
Novell-Gründer Ray Noorda, der 1994 aus dem Unternehmen ausschied
und später den Linux-Distributor Caldera gründete, ließ nicht
locker. Er erwarb für 400,000 Dollar die Rechte an DR-DOS und klagte
gegen Microsoft, mit unfairen Mitteln das Konkurrenzprodukt vom Markt
gedrängt zu haben. Drei Wochen vor Prozessbeginn verglich sich
Microsoft im Januar 2000 überraschend mit Noorda, dem Vernehmen nach
kostete Gates die Beilegung mehr als 200 Millionen Dollar.
Schon bei der Einführung von Windows 3.0 waren Vorwürfe laut geworden,
Microsoft verschaffe sich mit der Vormachtstellung bei den
Betriebssystemen wettbewerbswidrig Vorteile bei der Anwendungssoftware.
Um die Kompatibilität ihrer Anwendungen zu den jeweils nächsten
Versionen von DOS und Windows zu sichern, müssen sich die Entwickler
über die Spezifikationen der neuen Schnittstellen verständigen.
Offiziell werden dazu Vertraulichkeitsvereinbarungen (Nondisclosure
Agreements, NDAs) unterzeichnet, doch schon damals argwöhnten
Wettbewerber, dass Microsoft die dabei erlangten Informationen
über die Projekte anderer in die eigene Produktentwicklung
einfließen lasse. Umgekehrt schwor Microsoft mit den NDAs die
unabhängigen Software-Entwickler auf die eigene Plattform ein und
untersagte ihnen Arbeiten für andere Betriebssysteme für einen
Zeitraum von drei Jahren, wenn sie Vorabversionen der Upgrades
aus Redmond bekommen wollten.
Zudem hatte Microsoft den Computerherstellern (OEMs)
hohe Preisnachlässe gewährt, wenn diese bereit waren, Lizenzgebühren
für jedes veräußerte Gerät statt nur für jede verkaufte
Windows-Installation zu entrichten. Der Mechanismus war subtil,
aber wirksam. Solche Konditionen benachteiligten die anderen
Software-Hersteller, denn Redmond kassierte immer, selbst wenn die
Geräte mit Betriebssystemen wie OS/2 Warp von IBM oder Novells
DR-DOS ausgerüstet waren. Was da unter dem Deckmantel eines
Mengenrabattes daherkam, lief tatsächlich auf den geradezu
klassischen Fall eines Vertrages (zwischen Microsoft und OEM)
zu Lasten Dritter (von Wettbewerbern und Kunden) hinaus.
Rabatte, die über nachweisbare Mengen- und Kostenvorteile
hinausgehen, sind nach US-amerikanischem Recht eindeutig wettbewerbswidrig.
Wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
nahm die Federal Trade Commission (FTC) 1990 Ermittlungen auf.
Aber die Beweislage erschien nicht schlüssig genug. Drei Jahre später
brachte die Untersuchung bei der Schlussabstimmumg in der
Kommission keine Mehrheit für die Einleitung einer Kartellrechtsklage.
Das Department of Justice (DoJ) handelte mit Microsoft einen
Vergleich (Consent Decree) aus, der dem Unternehmen jedoch nur wenig
Zugeständnisse abverlangte. Es verpflichtete sich, die
Vertraulichkeitserklärungen weniger restriktiv zu handhaben und die
Lizenzbedingungen zu lockern. Lizenzgebühren sollten nicht mehr
pro PC, sondern nur noch pro verkaufter Windows-Installation erhoben
werden.
In der öffentlichen Meinung verfestigte sich nun allerdings
der Eindruck, die Wettbewerbshüter in der FTC und dem
Justizministerium hätten sich von dem Wunderknaben aus Seattle
vorführen lassen. Der zuständige Bundesrichter Stanley
Sporkin bezeichnete den Einigungsvorschlag als
`potenzielle Gefahr für die Wirtschaft dieses Landes' und lehnte
zuerst die Unterzeichnung, des `Consent Decree' überraschend ab.
`Dem Gericht ist klar geworden', begründete er den Paukenschlag,
`wenn es den Vergleich unterzeichnet, wird die Botschaft
sein, dass Microsoft so mächtig ist, dass weder der Markt noch
die Regierung mit den monopolistischen Praktiken fertig werden.'
Unbeirrt aber baute Gates sein Imperium aus. Mit den
reichlich sprudelnden Einnahmen ging er auf Einkaufstour,
diversifizierte, schloss Kooperationen mit Netzbetreibern und
weitete zielstrebig seine Wertschöpfungskette durch Beteiligungen aus
(siehe unten Teil zwei).
Überreizt
Die Aufmerksamkeit der Wettbewerbshüter ließ Gates in
der Regel weitgehend unbeeindruckt. Mit rüden Methoden gelang
es immer wieder, Wettbewerber auszuschalten. Der PC-Hersteller
Acer beispielsweise zog 1995 unterschriftsreife Verträge mit
Lotus zurück; mit der überraschenden Kehrtwendung wollte das
Acer-Management Repressalien durch Preiserhöhungen und
Behinderungen bei der Belieferung mit Windows-Updates und
Bug-Fixes vermeiden, falls die Firma wie ursprünglich geplant
die Computer mit der Anwendungssoftware von Lotus auslieferte.
Kunden wurden mit `Vapor-ware' - der Aussicht auf ein
noch kommendes und vermeintlich überlegenes Produkt - bei
der Stange gehalten. So hielt das 1994 angekündigte `Chicago'
viele Kunden von dem Wechsel zu dem bereits auf dem Markt
befindlichen OS/2 Warp von IBM ab; tatsächlich kam das
Nachfolgesystem für Windows 3.1 unter der Bezeichnung Windows 95
erst im Herbst 1995 auf den Markt.
Im Vorfeld der Markteinführung von Windows 95 ließen die
Unterhändler aus Redmond dann IBM ihre
Verhandlungsmacht spüren. Der zweitgrößte PC-Hersteller der Welt
bot seine Produkte den Kunden wahlweise mit OS/2 oder MS-Windows
an; damit war er nicht nur Konkurrent, sondern auch Kunde von
Microsoft und auf die Betriebssystemlizenzen angewiesen.
Die Microsoft-Mannen wollten IBM dazu bewegen, statt der eigenen
OS/2-Entwicklung Windows 95 zum Standard-Betriebssystem zu erklären
und zugleich die Vermarktung des Office-Pakets Smart Suite von Lotus
- Big Blue hatte Lotus gerade übernommen - um mindestens ein
halbes Jahr auszusetzen. Als IBM sich nicht darauf einließ, begann
Microsoft zu mauern. Als einziger PC-Hersteller besaß IBM eine Stunde
vor dem Launch von Windows 95 am 24. August 1995 noch keine Lizenz.
Erst im letzten Moment wurde die Vereinbarung unterschrieben:
die Lizenzgebühren, die für Windows 3.11 noch neun Dollar betragen
hatten, stiegen auf 60 Dollar pro PC.
Selbst die Symbiose von Microsoft und Intel geriet aus dem Tritt.
Als der Internet- und Multi-media-Boom einsetzte, waren die Intel
Architecture Labs (IAL) zu der Einschätzung gelangt, dass das
Windows-Betriebssystem mit den Fähigkeiten der Prozessoren zur
Audio- und Video-Verarbeitung nicht Schritt gehalten hatte, und wollte
mit dem Native Signal Processing (NSP) Hard- und Software-Herstellern
eigene APIs und Treiberschnittstellen zu den
Video- und Grafikfähigkeiten der 80x86-Prozessoren anbieten.
Bei Microsoft läuteten die Alarmglocken. Dies umso mehr,
als das IAL auch an NSP-Versionen für andere
Betriebssystem-Plattformen arbeitete. Dass NSP ursprünglich als
Ergänzung zu Windows 3.1 gedacht war, beruhigte die Strategen in
Redmond keineswegs - zur bevorstehenden Markteinführung von
Windows 95 wünschten sie keine nachträgliche Aufwertung des von
ihnen bereits abgeschriebenen Produktes.
Anfang Juli und ein zweites Mal im August 1995 traf sich
Bill Gates selbst mit Andrew Grove und bearbeitete ihn, NSP
nicht auszuliefern und sich mit eigenen Software-Aktivitäten
zurückzuhalten. Er drohte offen damit, die Intel-Plattform nicht
mehr zu unterstützen, wenn der Chip-Hersteller die Entwicklung
Windows-unabhängiger Schnittstellen nicht einstellte. Das
Power-Play verfehlte seine Wirkung nicht. Hauptabnehmer der
Intel-Chips sind die PC-Hersteller, und die wiederum sind von
Microsoft abhängig, weil die Kunden Windows verlangen.
Gates saß am längeren Hebel: Groves musste sich dem Druck
beugen und gab klein bei.
Das Tempo, mit dem innovative Features auf den Markt kamen,
bestimmte Microsoft. Selbst in Windows 98 hatte das Unternehmen
noch nicht alle Funktionen umgesetzt, die Intel den Konsumenten
bereits im Sommer 1995 offerieren wollte. Die amerikanischen
Wirtschaftswissenschaftler nennen solch ein Vorgehen
`strategisch'. Es ist darauf gerichtet, zum eigenen Vorteil die
Wahlmöglichkeiten von Wettbewerbern und Kunden einzuschränken.
Das Problem damit ist, dass strategisches Verhalten Innovationen
zwar nicht gänzlich ausschließt. jedoch nur solche zulässt, die
mit dem Geschäftsmodell des Monopolisten verträglich sind.
Unter Ökonomen ist umstritten, wo die Grenze zwischen zulässigen
und wettbewerbswidrigen Unternehmensstrategien zu ziehen ist.
Internet verschlafen
Schief ging das Vorgehen allerdings mit dem Internet. Dessen
Potenzial zur Vernetzung von allem mit jedem hatten die cleveren
Strategen in Redmond schlicht verschlafen. Zur selben Zeit, als
Netscape das Internet popularisierte und dabei einen kometenhaften
Aufstieg an der Börse erlebte, war Bill Gates nach langen Vorarbeiten
gerade im Begriff, das Microsoft Network (MSN) als klassischen
Online-Dienst aus der Taufe zu heben und neben AOL, CompuServe und
Prodigy zu positionieren. Schlagartig musste der Microsoft-Chef das
Ruder herumreißen. Und wieder suchte er Zuflucht bei der bewährten
Strategie der Produktbündelung, um das MSN und den hastig
entwickelten Browser Internet Explorer (IE) in den Markt zu drücken.
Mit jeder Installation von Windows 95 tauchten per Grundeinstellung
automatisch die Icons von MSN und IE auf den Bildschirmen der Kunden
auf.
Das DoJ erkannte in der Kopplung genau jene Diskriminierung von
Wettbewerbsprodukten wieder, die der schließlich doch noch in Kraft
gesetzte `Consent Decree' hatte unterbinden sollen, und klagte auf
Einhaltung des Vergleichs. Zum Beweis führte es den Fall von
Compaq an: Als das Unternehmen den IE-Icon kurzerhand durch den des
Netscape-Browsers ersetzt hatte, kündigte Microsoft dem Hersteller
prompt die Windows95-Vertriebslizenz. Compaq sah sich gezwungen,
die Änderungen rückgängig zu machen.
Doch nach drei Jahren entschied
ein Berufungsgericht, dass die Kopplung des IE mit dem Betriebssystem
nicht gegen den Vergleich von 1995 verstoße, da es sich um eine
Innovation handele.
Daraufhin reichten das Justizministerium und 19 Bundesstaaten im Mai
1998 die förmliche Antitrust-Klage ein. Den Kern des Verfahrens
bildeten der Browser-Krieg, dem Konkurrent Netscape zum Opfer fiel,
und die Methoden, mit denen Microsoft die Middleware Java des
Erzrivalen Sun auf die Rolle schob. Die Netscape-Gründer James Clark
und Marc Andreesen hatten den Navigator-Browser zur
betriebssystemunabhängigen Plattform für eine Office Suite ausbauen
wollen - für Microsoft ein trojanisches Pferd zur Einführung
plattformunabhängiger Software-Anwendungen, die das Geschäftsmodell
bedrohten. Direkte Verhandlungen mit dem Ziel, Netscape von diesen
Plänen abzubringen, scheiterten. Daraufhin kämpften die Manager in
Redmond mit harten Bandagen, verzögerten die Freigabe von
Schnittstellenbeschreibungen an Netscape und untersagten
einflussreichen Abnehmern wie Compaq und Dell in den Lizenzverträgen
die Verlinkung mit dem Konkurrenz-Browser. Für Netscape kam
das Kartellverfahren zu spät: im Oktober 1998 war das Unternehmen
am Ende und wurde von AOL übernommen.
Hijacking Java
Auch im zweiten Teil des Verfahrens ging es darum, wie Redmond das
Aufkommen einer plattformunabhängigen 'lingua franca' verhindern
wollte. In den Neunzigern hatte Erzrivale Sun die
Middleware-Architektur Java entwickelt. Damit müssten für Java
geschriebene Anwendungen nicht mehr einzeln in eine bestimmte
Betriebssystemumgebung portiert werden, sofern diese lediglich
die Java Virtual Machine (JVM) als Schnittstelle zum darunter
liegenden Betriebssystem bereitstellt.
`Write once, run anywhere', lautete die eingängige und überzeugende
Botschaft.
Im März 1996 lizenzierte Microsoft Java von Sun. Was nun ablief,
beschrieben verblüffte Beobachter als `Dabeisein, Draufsatteln,
Davonmachen'. In Redmond entstand eine JavaVariante, die auf die
Plattformunabhängigkeit vertrauende Anwendungsentwickler in die Irre
führte: Microsofts Java-Anwendungen, die unmittelbar auf den
Windows-Code zugriffen, waren nicht mehr kompatibel zu Suns
Java, das die Funktionsaufrufe über die offen gelegten Windows-APIs
abwickeln musste.
Diese Inkompatibilität war `alles andere als eine unbeabsichtigte
Nebenwirkung in dem Versuch, Java-Entwicklern zu leistungsfähigen
Anwendungen zu verhelfen', stellte die Beweisaufnahme in dem
Kartellverfahren fest, sondern `das beabsichtigte Resultat der
Microsoft-Anstrengungen'. Ein Memo vom November 1996 aus dem
beschlagnahmten internen Schriftwechsel hatte die Taktik entlarvt:
`Wir sollten stillschweigend den Anteil von J++ erhöhen und darauf
vertrauen, dass die Leute zunehmend unsere Klassen einsetzen,
ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass sie ausschließlich
Win32-Java-Anwendungen schreiben.' Die Auswirkungen sind bis heute
spürbar. Im Internet-Banking etwa laufen die meisten Java-Applets
nur unter Windows.
In der Beweisaufnahme des Kartellverfahrens hatte Richter
Thomas Penfield Jackson vom Bundesbezirksgericht des
Hauptstadtbezirks Columbia die Sachverhalte akribisch dokumentiert
und mit seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000 die harte Konsequenz
der Aufspaltung Microsofts in zwei unabhängige Gesellschaften
für Betriebssysteme und Anwendungssoftware gezogen. Doch nach diesem
erstinstanzlichen Urteil ging das juristische Hickhack erst richtig
los.
Zwischenzeitlich hatte sich auch die politische Großwetterlage
geändert. Statt des Demokraten Bill Clinton saß seit
Anfang 2001 der Republikaner
George W. Bush im Weißen Haus, dessen Wahlkampfagentur
Century Strategies gleichzeitig im Dienste Redmonds stand.
Und mit dem Anwalt Charles James wurde ein Microsoft-freundlicher
Jurist, der vor seinem Amtsantritt bereits bekundet hatte, dass er die
Gates-Firma als Einheit erhalten möchte,
Chef des Kartellamtes.
Der US Court of Appeals for the District of Columbia hob die
Aufspaltungsentscheidung mit der Begründung auf, Jackson
habe in Interviews eine voreingenommene Haltung erkennen lassen.
Der Fall ging an die erste Instanz unter Richterin
Colleen Kollar-Kotelly zurück. Die weitergehende Berufung Microsofts
gegen die von Jackson in der Beweisaufnahme festgestellten
Kartellrechtsverletzungen und illegalen Geschäftspraktiken wies
das Berufungsgericht allerdings ab. Die direkte Anrufung des Supreme
Courts, die auf eine neue Beweisaufnahme zielte, blieb er
folglos.
Umstrittener Konsens
Auf Drängen der neuen Richterin setzen wieder
Vergleichsverhandlungen ein, die Ende Oktober in einen neuen
Vorschlag mündeten. Danach sollten Hersteller und Konsumenten
ungehindert Middleware-Produkte wie Browser, E-Mail-Clients,
Instant Messaging Software oder Medien-Player von Wettbewerbern
auf der MS-Betriebssystemplattform installieren können.
Zwangslizenzen für Computerhersteller und Software-Entwickler
sollten dieses Recht gegebenenfalls durchsetzen, und zudem sah
die Vereinbarung die Einrichtung einer dreiköpfigen
Vollzeit-Kommission von Computer-Experten vor, die vor Ort einen
uneingeschränkten Zugriff auf Unterlagen, Mitarbeiter und Systeme
einschließlich des Quellcodes haben sollten.
Doch neun der 18 neben dem Justizministerium klagenden Bundesstaaten
gingen diese Auflagen nicht weit genug; sie verlangten, dass Microsoft
die Schnittstellen seiner Betriebssystem-Plattformen offen legt,
eine entbündelte Version von Windows entwickelt, die Wettbewerber
im Paket mit eigenen Anwendungsprogrammen vermarkten können,
sowie die Freigabe des Internet Explorer. In den abschließenden
Hearings Ende Juni gelang es der um einen Kompromiss bemühten
Richterin jedoch nicht, Microsoft zu weiteren Zugeständnissen
zu bewegen. So blieb der Vergleichsvorschlag nur eine
Orientierungsmarke in dem strittigen Verfahren.
Die neun standhaft gebliebenen Klagevertreter konnten ein starkes
Argument ins Feld führen: Kein Vergleich hat in der Vergangenheit
Gates räuberische Manöver bremsen können. So läuft denn auch zurzeit
mit der Bündelung des Media Players in Windows XP das perfekte
Remake des Browser-Kriegs ab, bei dem diesmal Apples Quicktime
und der Real-Player von Real Networks auf der Strecke zu bleiben
drohen. `Microsoft hat sich in der Vergangenheit als unglaubwürdig
erwiesen', hatte Richter Jackson seinerzeit die Entscheidung zur
Zerschlagung des Konzerns in zwei Teile weitsichtig begründet.
`Die Beweiswürdigung der Unterlagen legt die Vermutung nahe,
dass Microsoft in der Überzeugung seiner Unschuld die Geschäfte
weiter so betreibt wie in der Vergangenheit und auf anderen
Märkten ebenso auftritt, wie es bei den PC-Betriebssystemen
und im Browser-Markt agierte.'
Inzwischen haben Sun und die AOL-Time-Warner-Tochter Netscape,
gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, Schadenersatzklagen
in mehrstelliger Milliardenhöhe eingereicht. Obendrein sind noch
mehr als hundert Sammelklagen zahlreicher durch angebliche
überhöhte Monopolpreise geprellter Konsumenten anhängig.
Auch sie wollte Microsoft durch einen Vergleich vom Tisch bringen.
Tatsächlich waren im November letzten Jahres die Vertreter der
Prozessgegner darauf eingegangen, dass Redmond statt zehn Dollar
Schadenersatz pro Kläger 14,000 der ärmsten Schulen mit gebrauchten
Computern aus Regierungsbeständen und hauseigener Software
ausstattet. Aber auch hier stoppte ein wachsamer Richter im Januar
die trickreiche Beilegung. Der Prozess, in dem ein Ökonom den
Schaden durch die überhöhten Preise auf 13 Milliarden Dollar
beziffert hatte, geht weiter.
Weiteres Ungemach droht diesseits des Atlantiks. Die Europäische
Kommission prüft derzeit, ob Redmond den Hebel des Desktop-Monopols
nutzt, auch die Vorherrschaft über den Servermarkt zu erlangen.
Ein zweites Verfahren hat die Bündelung des Media Players zum
Gegenstand. Dass die EU-Kommission in Kartellfragen kein zahnloser
Tiger ist, hat sie schon einmal unter Beweis gestellt, als sie
Mitte letzten Jahres die 42-Milliarden-Dollar-Fusion von
General Electric und Honeywell untersagte, die in den USA bereits
genehmigt war. Die Bußgelder gegen Wettbewerbsverstöße
können bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen; Microsoft
muss mit 2,7 Milliarden Euro rechnen. Das Gates-Imperium
scheint von allen Seiten umstellt. Selbst die republikanischen
Gönner in Washington und eine milde Richterin können den
Software-Tycoon nicht vor der Erkenntnis schützen:
Vom Gipfel aus geht es nur noch bergab. (jk)
Richard Sietmann
c't 2002, Heft 22, Seite 96ff
Literatur
[1] Jo Bager, Die Redmond-Strategie, c't 14/1997, S. 88
[2] Richard Sietmann, Jürgen Kuri, Peter Siering, Es musste so kommen
..., c't 13/2000, S. 24
[3] Brent Schlender, Bill Gates & Paul Allen Talk, Fortune, 2. October
1995
Zweiter Teil: Krake Microsoft
Die digitale Welt in den Fangarmen Redmonds
Allen Kartelluntersuchungen zum Trotz: Bill Gates und
seine Mitstreiter arbeiten mit ungebremstem Eifer an
der Umsetzung der neuen Microsoft-Vision. Nach dem
Schreibtisch will der Konzern sämtliche Lebensbereiche
des vernetzten Menschen beherrschen. Doch nicht
immer läuft alles nach Plan
Geht es nach den Plänen in Redmond, hat Microsoft keineswegs schon
seinen Zenit erreicht, sondern wird die Software-Welt auch in den
kommenden Jahren dominieren. Mit wieder gewonnener Chuzpe
macht sich der Erfolg gewöhnte Konzern, der rund 50,000 Menschen
in 74 Niederlassungen beschäftigt, daran, sein Spinnennetz über
die digitale Welt zu werfen. Im Vorfeld der CeBIT 2002 überraschte
Eröffnungsredner Steve Ballmer die Branche und die Presse allerdings
mit neuen Tönen. Der sonst eher für seine Raubeinigkeit bekannte
Geschäftsführer Microsofts griff zur Schalmei. Launische Praktiken
werde es in seinem Hause nicht mehr geben, kündigte er an.
Microsoft sei mit 27 Jahren erwachsen geworden und werde als
Primus `Aufwind für eine Vielzahl anderer Unternehmen
erzeugen'.
Doch auch nach dem propagierten Kurswechsel haben Bill Gates
als Chef-Visionär und Ballmer, der Mann fürs Alltagsgeschäft,
bei Microsoft höchst ambitionierte Pläne. Mit ihrer .NET-Initiative
versucht die Firma, die mit den viel beschworenen Web-Services
angekündigte zweite Revolution des Internet und des E-Business
zu steuern und einen Großteil der Netztransaktionen zu beherrschen.
Die Heimvernetzung will der Koloss vorantreiben und dabei
`Tablet-PCs' als tragbaren Universal-Rechner vermarkten.
Die Inhalte kommen per Breitband-Kabel ins Haus, an dem sich
Microsoft in den USA bereits wichtige Anteile
gesichert hat.
Idealerweise hat die Firma auch Software zum Steuern der Settop-Box
auf Lager, die Filme, Musik und Dienste auf die Empfangsgeräte
nicht nur im Wohnzimmer verteilt. Die rasant Nachwuchs zeugende
Welt der digitalen Kleingeräte vom Handheld bis zum Smartphone
soll genauso unter Microsoft-Betriebssystemen laufen wie das
Geflecht der Informationsberge speichernden Server am anderen Ende
des überall verfügbaren Evernet. Insgesamt gibt es kaum einen
Umsatz versprechenden Bereich der digitalen Wirtschaft und
Gesellschaft, auf dem sich Microsoft nicht in Stellung gebracht
oder bereits breit gemacht hat.
Die Umsetzung der `Vision 2.0' ist in vollem Gange. Ursprünglich
wurde die Maschinerie Microsofts vom Ziel angetrieben, jeden
Schreibtisch in jedem Heim mit einem PC auszurüsten, auf dem
natürlich ein Betriebssystem aus Redmond läuft. Diese Vorgabe
ließ Gates und seine Mannschaft zwischen 1990 und 1994 allerdings
den ersten Boom des World Wide Web und des kommerziellen Internet
verschlafen. So tauchte in Gates' Roadmap `Der Weg nach vorn' von
1995 das Netz der Netze noch gar nicht auf. Doch schon Ende 1994
hatte Microsoft die Aufholjagd gestartet: Nach einer seiner
`Denkwochen' unterrichtete der Boss seine Untergebenen, dass
`wir ganz auf das Internet setzen'. Die Praktiken der Redmonder
im Kampf der Web-Browser wiederum führten schlussendlich zum Start
des neuen Kartellprozesses im Herbst 1998
(Siehe oben Teil eins).
In diesen Jahren mutierten das Internet und der von
Gates gepredigte 'Web-Lifestyle' zum Herz der neuen
Microsoft-Strategie. Der PC ist darin zwar keineswegs out, aber
er wird `von einer Vielzahl neuer Geräte ergänzt', wie Gates erklärt.
Die Brücke zwischen all den Gadgets stelle das Netz her.
Die aktualisierte Vision sei `ums Internet zentriert und darauf
fokussiert, den Leuten die Kraft zu geben, alles,
was sie wollen, zu jeder Zeit, an
jedem Ort und auf jedem Gerät
zu erledigen'.
Pralle Kriegskasse
Kein Unternehmen ist besser gerüstet, dies umzusetzen. Das
`Powerhouse' steigerte im Geschäftsjahr 2002, das Ende Juni
endete, seinen Umsatz trotz Branchenkrise um zwölf Prozent auf
28,4 Milliarden US-Dollar. Der Nettogewinn lag bei 7,8 Milliarden
US-Dollar. Damit ist Microsoft nach wie vor das erfolgreichste
Software-Unternehmen der Welt. Doch das reicht dem Giganten nicht mehr.
Zum Software-Business kommen Umsätze mit Hardware (Xbox, Mäuse,
Tastaturen, Boxen) und Services (.NET), die das Kerngeschäft ergänzen
und weiter ankurbeln. Im Geschäftsjahr 2003 erwarten Analysten
so ein Verkaufsvolumen von 32,7 Milliarden US-Dollar bei
gesteigerten Erträgen von 11.7 Milliarden
US-Dollar.
Die Kriegskasse Microsofts ist mit Rücklagen in Höhe von
rund 39 Milliarden US-Dollar auch in Zeiten der nüchternen
Betrachtung von Informationstechnologien bestens gefüllt.
Sie steht für neue Eroberungen ohne Rücksicht auf Anfangsverluste
bereit, denn monatlich kann das Zugpferd der Branche theoretisch
rund eine Milliarde US-Dollar in bar dazulegen. Die sich
rein im Finanziellen ausdrückende Wirtschaftsmacht Microsofts
ist damit einzigartig.
[Note by menkaura: Mit Ausnahme der Bretton-Woods Organisationen IMF und
Weltbank sowie der
WTO
]
1999 war der Konzern mit einer
Börsenkapitalisierung von 407 Milliarden US-Dollar das
teuerste Unternehmen aller Zeiten und so wertvoll
wie IBM und Exxon zusammen. Seit dem damaligen Höhenflug der
`New Economy' haben sich die Verhältnisse zwar etwas normalisiert, doch
Microsoft führt die Tabelle seit Frühjahr 2002 wieder an. Bill Gates
selbst stand im März zum achten Mal in Folge an der Spitze der
Superreichen. Sein Vermögen schätzt das Blatt auf
52.8 Milliarden US-Dollar.
Für Superlative ist Microsoft auch in anderen Bereichen gut.
2001 hat der Konzern 4,2 Milliarden US-Dollar für Forschung
und Entwicklung ausgegeben - mehr als die Rivalen America Online,
Oracle und Sun Microsystems zusammen. Allein zwischen 1994 und
1999 hat Microsoft 92 kleinere Finnen geschluckt und sich an
zahlreichen strategisch interessanten Unternehmen wie dem
TV-Kabelprovider Comcast beteiligt. Dazu kamen zahlreiche
Joint Ventures und lockere Partnerschaften. Richtungweisende
Übernahmen wie die des mittelständischen amerikanischen Anbieters
Great Plains im Herbst 2000 sowie des dänischen Anbieters Navision
im Mai ließen keinen Zweifel daran, dass der Riese den Software-Markt
für kleine und mittlere Unternehmen aufmischen will. Vor allem im
Hause SAP schrillten die Alarmglocken, da Microsoft das Stammgebiet
der Walldorfer nun fest ins Visier genommen hat. Zuvor hatte auch
die zunächst zehnprozentige Beteiligung am jungen britischen
Handybauer Sendo im Sommer 2001 in den Fach- und Wirtschaftsmedien
für Aufsehen gesorgt.
Das Monopol
Die Wirtschaftsmacht Microsofts hat dem Konzern in den vergangenen
zehn Jahren in Zusammenhang mit dem von Gates zielstrebig verfolgten
Wachstumskurs den Ruf des `bösen Imperiums' eingebracht. In der
Open-Source-Szene, einer der Hauptgegenströmungen zum System Microsoft,
wird Gates oftmals als `Borg' dargestellt, der die Weltherrschaft
übernehmen will. Hauptgrund zur Sorge ist die von Ballmer und Gates
geplante Ausweitung der Herrschaft über die Desktops auf
neue Geschäftsfelder - durch die wettbewerbswidrige Ausnutzung
der vorhandenen Monopolstellung im Windows-Stammbereich. Ob es um
die Integration des Media Players in Windows XP geht oder um die enge
Verknüpfung der Oberfläche des Systems mit NET-Techniken -
immer wieder arbeiten Beobachter heraus, dass derlei Praktiken
zur Ausdehnung des Herrschaftsbereichs mit Hilfe des Windows-Monopols
dienen.
Beispielhaft: Die Berichte über den Einstieg Microsofts ins Geschäft
mit Software zum Customer Relationship Management (CRM). Darin wird
zunächst auf das starke Wachstumspotenzial dieses Segments
verwiesen - im Vergleich zum Markt für Desktop-Systeme und
Office-Anwendungen. Dann erklären Microsoft-Sprecher, dass
man es nur auf Teilbereiche des Marktes abgesehen habe und
der Konkurrenz daher kaum schaden könne. Analysten dürfen
gleichzeitig darüber spekulieren, dass sich Microsoft wohl
doch das gesamte Segment nach und nach einverleiben wolle
und dass dabei vermutlich sogar anfängliche Partner auf der
Strecke bleiben würden.
Der beschriebene Weg war beispielsweise im Browser-Krieg
erfolgreich. Spätestens seit der Marginalisierung der
Konkurrenz im Bereich der Web-Navigationsmittel klingeln
nun bei Firmen die Alarmglocken, sobald Microsoft sein
Gewicht in eine neue Arena verlagert. `Sie müssen sich Microsoft
wie eine Bestie vorstellen, die alles verschlingt, was auf
ihrem Weg liegt', spitzt Matt Rosoff vom Marktbeobachter
Directions on Microsoft die Eroberungstaktiken des Konzerns
zu. Bezeichnend, dass sein nie um einen Kommentar verlegenes Haus
nichts anderes zu tun hat, als die Bewegungen der Redmonder für
die Konkurrenz zu analysieren.
[Note by menkaura: aus einem Artikel vom 27jul2005:
(cf
http://www.testticker.de/news/professional_computing/news20050727011.aspx)
Eine Studie der australischen Consultingfirma Cybersource
ermittelt durch Marktuntersuchungen auf dem fünften Kontinent
jährliche Mehrkosten in Höhe von 10 Milliarden australische Dollar
(rund 6,3 Milliarden Euro) weltweit durch das Quasi-Monopol von Microsoft
im Betriebssystem- und Officebereich.
Während der Endverkaufspreis eines typischen Officecomputers im Jahr
1994 zu 85% von der Hardware und zu 15% von der Softwareausstattung
(Betriebssystem plus Office-Suite) bestimmt war, machten nach stark
verschärftem Wettbewerb und deutlich gefallenen Hardwarepreisen diese
im Jahr 2004 nur noch 35% des Verkaufspreises aus, während die
Softwareausstattung - im Businessbereich typischerweise von Microsoft -
nun 65% ausmacht.
Die Analysten fordern nun staatliche Eingriffe, um den Wettbewerb zum Nutzen
von Wirtschaft und Verbraucher wieder herzustellen. (fe)]
Materialschlachten und Stellungskriege
Aufgrund seiner Geldreserven kann sich Microsoft Zeit lassen
beim Eintritt in neue Märkte. Oft reicht eine Absichtserklärung der
Konzernspitze aus, neue Geschäftsfelder im Blick zu haben,
um Wettbewerber in Angst und Schrecken zu versetzen sowie potenzielle Kunden
auf die zukünftigen Produkte einzuschwören. Vaporware
- Dampfware - zieht daher so manchem Projekt aus dem Hause Microsoft voraus.
`Seit der Firmengründung 1975 bis heute verläuft praktisch jede
Produkteinführung von Microsoft nach dem gleichen Muster aus
Versprechungen, Verzögerungen und Vertröstungen',
meint ein US-Kolumnist. Wichtig sei nur, dass die Kunden das Versprechen
glauben, die Taube auf dem Dach sei zum Greifen nah.
Hat der Gigant einmal einen Markt ausgeguckt, legt er Ausdauer
an den Tag. Erhält die erste Version einer Software - wie üblich -
schlechte Kritiken und bleibt unter den Verkaufserwartungen zurück, ist die
nächste Generation etwas besser. So steigert Microsoft die Qualität eines
Produkts langsam, aber sicher. Das kann dauern, führt aber häufig zum Erfolg
und zumindest zum Einholen der Fertigungsmaßstäbe der Konkurrenz.
Bestes Beispiel ist Windows, das nach 16 Jahren Entwicklungsarbeit mit der
XP-Version 2001 einen gewissen Reifegrad erlangte. Als Überlebenskünstler
entpuppte sich aber auch Microsofts Internet-Dienst MSN. Der Zugangsservice
mit angeschlossenem Webportal siechte sechs Jahre vor sich hin. Heute ist er
das zweitpopulärste Portal im Web, hinter Yahoo. Teil des Erfolgsgeheimnisses:
Microsoft investierte Hunderte Millionen in US-Handelsketten. Im Austausch
dafür rührten diese die Werbetrommel für MSN.
Kein Wunder, dass häufig von `Abnutzungskrieg' die Rede ist, wenn Microsoft
sich an die Eroberung neuer Märkte macht. Die Firma kann Strategien wie
das Verschenken von Software zur Sicherung von Marktanteilen und fürs Setzen
von Standards mit schier unbegrenzten finanziellen Reserven verfolgen.
Die Redmonder warten ab, bis der Markt monopolisiert ist, um ihn dann zu den
eigenen Bedingungen neu aufzurollen und die Profite zu maximieren.
Dass es alles andere als ideal ist, keinen Wettbewerb im Software-Markt
zu haben, und dass die Preise in diesem Fall schnell dahin sind,
erfahren viele Geschäftskunden gerade auf die harte Tour:
Mit der seit 1. August eingeführten Lizenzpolitik der
'Software Assurance' sollen sie die Standardprodukte des Giganten per
Abo beziehen - und zahlen damit fast ausschließlich drauf.
Lautet die Alternative doch nur noch, immer wieder teure
Vollversionen zu bestellen.
Tödliche Umarmungen
Eng verknüpft mit den Geschäftskulturen `Ausdauer' und
`Ankündigungspolitik' ist die berüchtigte Methode des
`Embrace and Extend'. Microsoft bedient sich ihrer gerne,
um offene Standards, die den Wettbewerb sichern und Märkte
zugänglich halten sollen, durch Eigenentwicklungen proprietär
abzudichten und damit Barrieren für Konkurrenten aufzubauen.
Aus der `Umarmung' offener Standards wird dabei eine
erstickende Umklammerung. Beispiele reichen von fundamentalen
Standards zur Darstellung von Text auf dem Bildschirm über Regeln
zum Formatieren von Webseiten und das Abspielen von Videos im
Media Player bis hin zu Schlüsselprotokollen für den Datenaustausch,
den Zugang zu SQL-Datenbanken, dem E-Mail-Server Exchange oder für die
Netzwerksicherheit im Fall Kerberos.
Liest man die Anschuldigungen der Konkurrenz, entsteht der Eindruck,
dass alles, was Microsoft anfasst, sich in Gold für die Firma
verwandelt; umgekehrt wächst für Wettbewerber auf diesen
Geschäftsfeldern anschließend kein Gras mehr. Die Dominanz des
Redmonder Imperiums wird mit jeder Markteroberung und der sich
daraus ableitenden positiven
Rückkopplungskette größer.
Die Kernthese der Microsoft-Widersacher lautet: Indem der Konzern
seinen Hebel Windows ansetzt, kann er angrenzende Soft- und
inzwischen auch Hardware-Gebiete angehen und mit der Zeit beherrschen.
Dabei kommen die von Ökonomen beschriebenen Netzwerk-Effekte ins
Spiel, die beim Etablieren neuer Standards helfen. Die Situation
kann sich innovationshemmend auswirken, wenn ein derartiger Standard
- der auch nicht unbedingt der beste sein muss -
von einer einzigen Firma besetzt wird und den gesamten Hightech-Markt
`einsperrt'. Inwieweit diese `Hebel-These' zutrifft, zeigt ein
Überblick über die von Microsoft besetzten und in Angriff
genommenen Märkte.
Diese spiegeln sich wider in der
Einteilung der Firma in die sieben Organisationsgruppen Windows Client,
Wissensarbeiter, Server & Tools, Business Solutions, CE/Mobility,
MSN und Home Entertainment.
Windows - die Basis des Monopols
Windows ist das Fundament der Marktmacht Microsofts, das Kronjuwel
im Portfolio. Die Version 1.0 erschien 1985 mit gut einjähriger
Verspätung auf dem Markt. Seitdem füllt das Programm mit seinen
etwa alle zweieinhalb Jahre erscheinenden Updates die Firmenkassen.
Analysten gehen bei Windows von einer Marktabdeckung zwischen 95 und
97 Prozent aus. Microsoft hält damit ein Monopol, dessen dominante
Stellung sich über die Jahre hinweg als stabil erwiesen hat.
Es stützt sich unter anderem auf ein Heer von rund sieben Millionen
Programmierern. Die haben eine Phalanx von Anwendungssoftware
für Windows entwickelt, die das Betriebssystem
für Verbraucher attraktiv macht. Über 70,000 Programme laufen unter
Microsoft Windows - das ist vermutlich mehr, als selbst die vereinte
Open-Source-Gemeinde bislang an mehr oder weniger freier Software
erstellt hat. Der virtuelle Netzwerk-Kreislauf ist damit in vollem Gange,
da mehr Applikationen mehr Nutzer und die
wiederum mehr Programmierer anlocken.
Mit dem jüngsten Meilenstein in der Windows-Geschichte, dem im
Spätherbst 2001 demonstrativ in New York vorgestellten Windows XP,
will Microsoft den PC möglichst nahtlos mit E-Commerce und anderen
vernetzten Geräten verknüpfen. XP (für eXPerience) ist die Basis
der beschriebenen `Vision Version 2.0' und verfügt über
Anschlussmöglichkeiten für fast alle digitalen Geräte im
Haushalt. Zudem hat sich Microsoft mit dem neuen Flaggschiff
auf und hinter dem Bildschirm als Integrationsweltmeister erwiesen:
Schon auf dem Desktop weisen bunte Icons den Weg ins Internet mit MSN.
Feste Bestandteile des Systems sind nicht nur der Internet Explorer,
sondern auch der Instant Messenger und der Media Player.
Alternativprodukte haben es da schwer, auch wenn Microsoft
ihnen im Zuge des Kartellstreits eine Existenznische innerhalb von Windows
eingeräumt hat. XP soll zudem im Rahmen der .NET-Strategie als zentrale
Informations-Drehscheibe
für Web-Services dienen.
Immer mehr Stimmen fordern, dass das Erfolgs-Unternehmen den Quellcode für
Windows generell offen legen und damit auch der Konkurrenz Einblick in die
Innereien geben soll. Die von Microsoft gestartete 'Shared Source'-Initiative
geht ihnen nicht weit genug, da sie bislang nur auserwählten Partnern
oder Regierungsabteilungen offen steht und, anders als in der
Open-Source-Welt, jegliche Veränderungen des Codes ausschließt.
Strategische Verlautbarungen aus dem Hause Microsoft zur Zukunft
von Windows lassen zudem keinen Zweifel daran, dass sich die
Firma ihres Wettbewerbsvorteils nicht berauben lassen will.
Die für die Mitte des Jahrzehnts angekündigte radikal neue
Windows-Generation, die unter dem Namen Longhorn entwickelt wird,
soll laut Fortune zum Alleskönner avancieren. Dem Magazin zufolge
möchte ihr Gates so viele Funktionen einpflanzen,
dass AOL Time Warner, Oracle und Sun sich arbeitslos melden dürften.
Der PC könnte mit der Software zum großen Über-Ich
des Nutzers werden, das alles über ihn weiß und die
Sekretärin endgültig ersetzt.
Details sind allerdings rar. Bekannt wurde bisher nur,
dass Teil von Longhorn das umstrittene Projekt
Palladium werden soll, das sich eng an die
Trusted Computing Alliance (TCPA)
anlehnt (technische Details auf S. 204 in dieser c't).
Office - die heilige Cash Cow
Mit dem von Microsoft als `Produktivitäts-Software' vermarkteten
Paket Office, das unter anderem Word, Powerpoint und Excel enthält,
kommt die Firma ähnlich wie bei Windows auf einen Marktanteil von
über 90 Prozent. Das Monopol-Produkt ist die
eigentliche Cash Cow Microsofts - mehr als ein Drittel der
Gesamtumsätze gehen auf sein Konto. Viele Büros votieren gar nur
aus dem Grund für Windows, weil sie die Programmierfunktionen von
Office bei der täglichen Büroarbeit am PC nicht missen wollen.
Vertreter der Linux-Fraktion plädieren daher vehement dafür, Microsoft
zur Gewährung von Lizenzen zu verpflichten, mit denen sich Office auf andere
Betriebssysteme portieren lässt. Aber auch Konkurrenzprodukte wie Suns
Open-Source-Produkt Star-Office entwickeln sich langsam zu ernst zu
nehmenden Alternativen.
.NET soll die eierlegende Wollmilchsau des neuen Microsoft-Imperiums
werden. Als Bill Gates die zunächst unter dem schwerfälligen Titel
`Next Generation Windows Services' vorbereitete Netz-Strategie im
Sommer 2000 begleitet von hoher medialer Präsenz erstmals vorstellte,
handelte es sich - wie so häufig - zunächst um heiße Luft.
Grund zur Aufregung gab es schon damals, etwa über die `Hybris'
der Redmonder, mit der Namenswahl ein `öffentliches Label' in
Anspruch zu nehmen und es als eigene Markenidentität zu privatisieren.
Steht die Endung .net doch eigentlich für die entsprechende
Domain im Internet-Namensraum.
Seitdem kristallisiert sich nur langsam heraus, was .NET einmal
umfassen könnte. Das ursprüngliche Konzept hat bei Microsoft
mehrfach zu Frustrationen und zum Umwerfen zentraler Strategien
geführt, die mit dem Abgang mehrerer Manager endeten.
Einzig greifbar ist bis jetzt eine Entwicklungsumgebung mit zahlreichen
Werkzeugen für Programmierer, die unter dem Namen Visual Studio .Net
seit Februar 2002 teuer verkauft wird. Das größtenteils auf offenen
Standards aufbauende Programmiermodell selbst orientiert sich stark
an der Software-Umgebung Java des Konkurrenten Sun, deren Vorteil
es ist, mit Hilfe einer `virtuellen Maschine' ohne große Anpassungen
auf zahlreichen unterschiedlichen Geräten und unter
verschiedenen Betriebssystemen zu laufen.
Xbox, Tablet-PCs und das digitale Heim
Mit der Xbox und der darum herum geknüpften eHome-Initiative
legt sich Microsoft vor allem mit Sony an. Für Bau und Vermarktung
des `trojanischen Pferds', mit dem Microsoft in die Wohnzimmer
einziehen will, ließ der Konzern über zwei
Milliarden US-Dollar springen. Gewinne kann Microsoft mit dem schwarzen
Daddelkasten frühestens in einem Jahr einfahren, schätzen die
Marktauguren. Doch zumindest hat Gates damit einen Fuß im rund
20 Milliarden US-Dollar schweren Markt für elektronische Games.
Weiter einzudringen in das Geschäft mit der
Verbraucherelektronik versucht Microsoft über das Tablet-PC-Konzept sowie
Windows CE for Smart Displays (vormals 'Mira'), mit dem von
Weihnachten 2002 an auch die Mama am Herd im Internet-Kochbuch
nachschlagen soll. Doch bis Microsoft zum Sony
des 21. Jahrhunderts aufsteigt, muss Gates noch mehr Gespür
fürs Geschäft mit den `Couch Potatoes' entwickeln. Windows
XP und die Xbox weisen zwar den Weg. Doch noch fehlt es
Microsoft an den Beziehungen zu Handelspartnern im hart
umkämpften Markt für Consumer Electronics.
Auch den Mobilmarkt, auf dem Firmen wie Nokia oder Motorola bislang
die Gewinne einstreichen, hat Microsoft verstärkt ins Visier genommen.
Dort werden Handys auf der einen und Handhelds auf der anderen
Seite softwaremäßig immer komplexer und verschmelzen zur
Smartphone-Kategorie. Gates will die Gelegenheit nicht ungenutzt
lassen, die kleinen Geräte mit seinen Betriebssystemen auszurüsten.
Für Klein-Computer hat er das System Pocket PC parat, den
Handy-Markt will er mit der ursprünglich als `Stinger' benannten
Windows-CE-Variante Smartphone 2002 aufrollen.
Überraschend konnte der Redmonder Riese auf der 3GSM Word in Cannes
im Februar bereits Kooperationen mit zahlreichen Netzbetreibern
bekannt geben, um ein 'drahtloses Ökosystem' aufzubauen. Das
drahtlose Netz bietet den Redmondern trotzdem nur bedingt Halt.
Während sich Windows CE im Markt für PDAs den Marktforschern von
IDC zufolge einen Marktanteil von rund 50 Prozent erkämpft hat und
daher auch Pocket PC gute Chancen eingeräumt werden, setzen
Handy-Hersteller wie Nokia, Sony Ericsson, Matsushita oder Motorola
auf das Betriebssystem Symbian. Darüber hinaus hat Nokia die
Open Mobile Architecture Initiative ins Leben gerufen, um die Phalanx
gegen Microsoft und seine proprietären Standards in Stellung
zu bringen.
In den Unternehmensmärkten für Server-Software und
Datenbanklösungen hat sich Microsoft seit Mitte der 90er
erfolgreich breit gemacht. Während der Serverbereich traditionell
von Unix-Betriebssystemen und Software von Firmen wie Novell
beherrscht wurde sowie gerade im Internet Linux im Verbund mit
Apache eine weite Verbreitung fand, sind die Redmonder nach dem
langjährigen Spiel mit harten Bandagen mit Windows 2000 durchgestartet.
Das Microsoft-System hielt im Jahr 2000 laut IDC einen Marktanteil
in Höhe von 47 Prozent, 38 Prozent waren es im Jahr davor.
Novell ist dagegen fast schon von
der Bildfläche verschwunden.
Ständig ausgebaut hat Microsoft auch seine Stellung bei
Datenbanksoftware - auf Kosten von Konkurrenten wie IBM
oder Oracle. Die neue CRM-Lösung Microsofts soll im Herbst erscheinen.
Ins Auge gefasst hat Microsoft ferner den milliardenschweren
Software-Markt für Datacenter, Speichernetzwerke und -management
sowie Backups, in dem es verstärkt um intelligente Lösungen
zum Unterbringen von Datenbergen auf leistungsstarken
Computern geht. Dort könnte die starke Stellung von Firmen
wie EMC, IBM und Sun durch den Markteintritt Microsofts bröckeln,
wenn der Gigant seine anfangs nicht auf Profite achtende
Preisunterbietungs-Strategie durchzieht.
(K)ein Hauch von Glasnost
Die Gesamtstrategie Microsofts, eine Unzahl von Märkten
auf einmal auf den Schwingen von Windows zu erobern und
dabei große Wettbewerber unter dem Einsatz der Ellbogen
schachmatt zu setzen, wirkt erdrückend. Dass sich die
Microsoft-Manager dabei `Mafiosi'-Methoden bedienen, wie
zumindest Richter Thomas Penfield Jackson befand, ist nicht gerade
beruhigend.
[Note by menkaura: cf USAtoday 14mar2001
U.S. District Judge Thomas Penfield Jackson said his involvement with the
company's monopoly trial helped him to form
``unfavorable judgments as to the lawfulness of Microsoft's business
practices.'' ....
Jackson wrote that Microsoft has ``an institutional disdain for both the truth
and for rules of law,'' and that its executives are
``not averse to offering specious testimony to support spurious defenses
to claims of its wrongdoing.''
He also said he retains the beliefs about Microsoft and its executives that
were quoted in several newspaper articles and books about the trial.
In those, Jackson compared Microsoft chairman Bill Gates to Napoleon and
compared the company to a drug-dealing street gang.
]
`Dieses Unternehmen hat die Gesetze wiederholt
verletzt', sagt auch der Justizminister von Massachusetts, Tom Reilly.
`Das liegt in seiner Natur.'
Gates' Mannen sind sich dagegen keiner
Schuld bewusst. Firmenchef Ballmer gibt die seit Jahren stereotyp
wiederholte Parole aus: `Wir glauben daran, dass uns das Gesetz dazu
ermächtigt und ermutigt, weiterhin Innovationen voranzutreiben.'
Und Bill Gates schwärmt von `so viel Wettbewerb in jedem einzelnen
Feld' der Hightech-Industrie, wie er ihn in über 25 Jahren in der
Branche nie zuvor gesehen hatte. Microsoft war allerdings bislang
nur in seltenen Glanzstunden eine Innovationsschmiede und ist mehr
für das clevere Zusammenfügen und Vermarkten von Dingen bekannt,
die andere erfunden haben.
Doch um die Midas-Erfolge Microsofts ranken sich auch Mythen. Denn ob
beim (Netz-)Content, Digital-TV oder in anderen Medienbereichen - die
bereits vor Jahren als 'Media Company' gehandelte Firma konnte hier
trotz allen Geldes nicht so recht Fuß fassen. Ähnlich dürfte es Gates
in manch anderem der frisch angesteuerten Märkte ergehen.
Einen einzelnen Konkurrenten, der dem Imperium aus Redmond das
Wasser reichen könnte, gibt es zwar nach wie vor nicht. Doch die
Vielzahl der Allianzen, die Firmen wie Sun, Nokia, Sony oder AOL
Time Warner auf unterschiedlichen Ebenen vorantreiben, dürfte
Microsoft das Spiel erschweren.
Zunehmend ökonomische Bedeutung erlangt zudern die verteilt auf
alle Kontinente gegen Microsoft antretende Open-Source-Bewegung,
deren wichtigstes Produkt Linux den Redmondern deutlich zu schaffen macht
und ihr Kerngeschäft bedroht. Das Imperium wehrt
sich zwar mit seiner 600-köpfigen Rechtsabteilung sowie gut
250,000 Freiwilligen, die über das Netzwerk `Freedom to Innovate'
auf Zuruf ihre Lokalabgeordneten angehen, gegen die Code-Rebellen
und politische Bedrohungen. Für die Schlacht um das neue Betriebssystem
des Bundestags setzte der Konzern gar auf die Dienste der durch
die Scharping-Affäre vollends ins Zwielicht geratenen Agentur
Hunzinger. Trotzdem machen sich immer mehr Regierungen
weltweit für das
kostengünstigere Linux stark.
Ob jemals ein Hauch von Glasnost durch den weitläufigen Campus im
tiefen Westen der USA ziehen wird und Microsoft seine nicht von der
Hand zu weisende Definitionskraft für die gesamte Hightech-Branche
- wie von Ballmer angekündigt - `verantwortungsvoll' einsetzt?
Solange die Firma weiterhin in vielen Fällen schlicht ihre
ureigenen Interessen gegen die der Öffentlichkeit durchzusetzen
versucht, sind Richter und Kartellwächter auch weiterhin gut
beraten, den Bestrebungen an der Microsoft-Spitze Grenzen
zu setzen. Denn dreiste Ideen gibt es in Redmond zuhauf. Wie
etwa im Winter 2001, als man den Streit über die Sammelklage
tausender Verbraucher gegen überhöhte Windows-Preise just
mit einer Spende eigener Software an Schulen - verpackt in
ein paar Trainingsstunden und aufgemöbelte Rechner - beilegen wollte.
(jk)
Stefan Krempl
c't 2002, Heft 22, Seite 102ff
Dritter Teil: Der geplante Untergang der Freiheit
Unter dem deckmantel der erhöhung der sicherheit
(Digital Rights Management (DRM) -- für den nutzer?)
plant Microsoft einen letzen, tödlichen streich gegen die freiheit des
internet und der computernden menschheit insgesamt:
Die Trusted Computing Platform Alliance (TCPA) unter der führung Microsofts
will erreichen, dass jede hardware UND software eine(n) lizenzierende(n)
ID(-chip) erhählt. Dies bedeutet in wahrheit das ausschalten der
open-source-community durch die hohen kosten für die zertifizierung
(100tausende Euro je anwendung, nicht etwa für ein gesamtpaket wie Linux
!!) Microsoft entwickelt bereits den TCPA-manager `Palladium'
Siehe auch hierzu den einschlägigen artikel in c't 2002, Heft 22
Dass nicht nur MicroSoft am grabe der freiheit schaufelt, sondern auch die
EU-kommission verdeutlicht die folgende notiz aus dem online-magazin
Testticker IT-Express News    
http://www.testticker.de    
vom 08.04.2005
Wird freier Mediaplayer zum Opfer der EU-Softwarepatente?
Die EU kaempft auf der einen Seite um einen Markt und
prozessiert gegen Microsoft wegen dessen kostenlosen
Mediaplayers, auf der anderen Seite scheint sie genau das
Gegenteil zu bewirken: Die Entwickler des freien Players
VideoLAN sehen durch EU-Software-Patente ihr Projekt vor dem Aus.
Die Entwickler des freien Mediaplayers sind besorgt: Sie
glauben, dass sie wegen des "Minenfelds der Multimedia-
Patente" aufgeben muessen. Denn "saemtliche wichtigen
Technologien in dem Bereich werden durch - zumeist
triviale - Patente geschuetzt", heisst es in einer
Stellungnahme der Programmierer.
Weil es mit dem bisherigen Urheberrecht moeglich ist, mit
Open-Source-Projekten wie VideoLAN die Videocodecs anderer
nachzubilden (nicht zu kopieren), aber durch das neue
Patentverfahren selbst Mediaformate wie Windows Media oder
Apples Musikformat nur mit teurer Lizenz abgespielt werden
duerfen, sehen die Entwickler schwarz.
Nur offene Standards wie Ogg Vorbis koennten so noch
dargestellt werden, ohne dabei arm zu werden. In ihrer
Stellungnahme fuehren die Entwickler auch andere Open Source-
Projekte im Multimedia-Bereich (alle Verlinkungen finden Sie
auf unserer Website) als Beispiel fuer die bedrohte Spezies an.
Zahlreiche dieser Dienste wettern auf ihren Websites mit den
Worten "The end draws near" gegen die EU-Kommission.
Die VideoLAN-Programmierer rufen die Nutzer ihres Programms
auf, den Widerstand gegen die neue Regelung zu verstaerken.
Die Europaeische Kommission versuche entgegen aller
demokratischen Regeln die Direktive durchzukaempfen, egal, wie
das EU-Parlament und die beteiligten Laender agieren.
Petitionen zu unterschreiben reiche nicht aus.
In derselben Ausgabe:
Der Stanford-Professor Lawrence Lessig warnte auf der aktuellen Open Source
Business Conference in San Francisco vor einem juristischen Krieg Microsofts
gegen OpenSource-Produkte.
Der Jura-Professor nannte Microsoft öffentlich eine Gefahr für
andere Unternehmen und die Wirtschaft als Ganzes. Eine weitere Gefahr für
Innovation und Wachstum geht Lessig zufolge von den Copyright-Verwertern aus,
die derzeit einen juristischen Krieg gegen P2P und andere innovative
Technologien führen.
Weniger bedrohlich, aber dennoch ein Problem sind auch Telekomfirmen, die ihre
Kunden von Drittanbieter-Diensten wie VoIP abschirmen wollen. Lessig rief
Organisationen und Individuen dazu auf, sich am Kampf gegen diese Bedrohungen
zu beteiligen
Für die alternativen zu dieser auffassung von wirtschaften siehe e.g.
http://www.gnu.org/gnu/manifesto.de.html
http://www.gnu.org/philosophy/philosophy.html
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